Lügenrundfunk - Fragezeichen
Gestern wurde mir die zweifelhafte Ehre zuteil, ein Interview mit zwei Journalisten eines lokalen Senders zu führen. Von den vielen Beispielen aus Presse und Radio bin ich ja einiges gewohnt an Diffamierungen, Vorurteilen und schlichtem Unsinn, den Journalisten bei Gelegenheit so verbreiten.
Und trotzdem ist es natürlich etwas anderes, wenn man die Tricks und Maschen hautnah erlebt. Inhaltlich sollte es um den Vorwurf gehen, ich wäre in einer Vorlesung an einer berliner Hochschule ausländerfeindlich und diskriminierend. Ich halte beide Vorwürfe für Blödsinn, also komme ich der Einladung zu dem Interview nach - in der Hoffnung, man könne zur Problematik, wie die Politische Korrektheit die Freiheit der Lehre bedroht, Stellung nehmen.
Vielleicht bin ich ja wirklich, wie ein Bekannter mir gestern steckte, etwas naiv. Denn aus diesem Gespräch über die Freiheit der Lehre wurde nichts. Statt dessen versuchte der Wortführer der beiden Kollegen vom rbb krampfhaft am eigentlichen Thema, also an dem Vorwurf, ich unterrichte ausländerfeindlich, vorbei, mir eben diese Ausländerfeindlichkeit zunächst durch meinen Blog zu belegen. Nur war dieser Blog nicht das Thema. Es ging um den Unterricht und einige Aufgaben, die missverständlich sein könnten.
Also ließ sich der Mann vom Rundfunk, nachdem ich angedeutet hatte, das Interview abzubrechen, wenn wir nicht zum Thema kommen, zu einer kurzen Diskussion über die besagten Aufgaben ein. Die Ausbeute war offenbar mager. Denn alsbald kehrte er mit seinen Fragen zum Blog zurück. Unter anderem hatte ihn meine Formulierung "die Nazis haben nur zwei Fehler gemacht", gestört.
Originalton: "Haben die nicht mehr Fehler gemacht?" Ich habe gelacht. Mich aber insgeheim gefragt: Stellt der Mann sich jetzt doof? Irgendwie denkt man ja immer noch, dass Männer der Wortes auch intelligent sind. Aber wie sagt schon Qui-Gon Jinn: "Die Fähigkeit zu Sprechen macht Dich noch nicht intelligent."
Um den Blog ins Gespräch zu bringen, musste der Mann vom Rundfunk also eine Verbindung zwischen Unterrichtsmaterial und Blog nachweisen. Denn der Blog alleine macht noch keinen ausländerfeindlichen oder diskriminierenden Unterricht. Und natürlich habe ich auch als Dozent das Recht auf die öffentliche Äußerung einer eigenen Meinung, sie muss nur vom Unterricht unmissverständlich getrennt sein.
An diesem Punkt nun erwies sich, leider nicht zum ersten Mal, die unsaubere handwerkliche Arbeit des Fragenden. Denn diese Verbindung konnte er nicht beweisen - einfach weil sie nicht bestanden hat und auch nicht besteht. Es gibt keinen Link von den Aufgaben zum Blog und nicht mal einen vom Skript zum Blog - wobei das kein Problem wäre, weil die Skripte nicht Teil der Vorlesung sind. "Aber zwei Klicks weiter befindet sich Ihr Blog", meinte er in einem Anfall von Verzweiflung. "Stimmt", stimmte ich zu, "und zwei Klicks weiter befindet sich sicher ein Porno."
Weil das also alles nichts half, outete der Mann vom rbb sich nun als investigativer Journalist: Er hielt mir einen Beitrag aus einem kleinen berliner Blog unter die Nase und fragte, ob ich das geschrieben habe. Nun gebe ich gerne zu, nicht mehr jeden meiner Beiträge in jedem Forum zu kennen - aber dieser Beitrag, in dem es um einen tätigen Attacke auf einen Araber ging,
mit dem sich jemand brüstet, der war sicher nicht von mir.
Anschließend ging es wieder und wieder über die Dörfer. Statt mir Beiträge aus Foren unterzuschieben, verlegten sich die beiden Fragenden nun auf die billigste Masche von Fragenden: Sie stellten mir eins ums andere Mal Suggestivfragen. "Würden Sie sagen, das Abendland ist durch den Islam gefährdet?" - "Würden Sie sagen, dass man den Islam bekämpfen muss?" - "Würden Sie sagen, dass Sie den Islam hassen?" - et cetera, et cetera. Ich bekam eine Ahnung, wie Verhörte sich fühlen und warum sie womöglich an den Punkt gelangen, alles zuzugeben, nur damit das Fragen ein Ende hat. Zum Glück war hier nur die Durchsichtkeit der Fragen schmerzhaft.
Vielleicht hätte ich nun wirklich gehen sollen. Denn die Masche war einfach nur doof. Das war Inquisition, nicht Diskussion. Und vor allem hatte das alles mit dem eigentlichen Vorwurf so ganz und gar nichts mehr zu tun: Dass ich Studenten diskriminiere.
Doch immer dann, wenn man denkt, es geht nicht mehr dümmer, wird man gelegentlich überrascht: Selbstverständlich sind meine Aufgaben aus der Vorlesung nicht ausländerfeindlich - aber das läge daran, dass ich so intelligent sei, dass ich diese meine Ausländerfeindlichkeit raffiniert kaschieren kann. Nicht-Überführbarkeit von Ausländerfeindlichkeit ist also ein Zeichen von Intelligenz seitens des Angeklagten und nicht ein Zeichen, dass die Anschuldigungen falsch sind. Großartig! Allerdings ist dieser Trick ganz sicher kein Zeichen von Intelligenz.
Gegen Schluss kam ich dann noch einmal auf das Kernproblem zurück: Wie geht man mit pikanten politischen Themen im Unterricht um? Wie weit
geht die Freiheit der Lehre im Zeitalter der politisch Korrektheit? Und ich stellte umgekehrt an mich die Frage in den Raum, wie ich auf einen Student reagieren würde, der ein T-Shirt mit einem Hakenkreuz in der Vorlesung trägt?
Die Gesichter der Mannen vom rbb hellten sich auf, denn offenbar glaubten sie, eine Schwachstelle gefunden zu haben: "Da würden Sie doch reagieren?" - "Ja, denn es ist ja verboten."
"Aber", schränkte ich ein, "genießt dieser Student nicht das gleiche Recht wie die anderen Studenten mit ihren anderen Meinungen? Und handelt es sich dann nicht tatsächlich um eine Diskriminierung? Also um eine wirkliche und nicht mehr um einen leeren Vorwurf, wie im Fall, den wir hier eigentlich diskutieren wollen?"
Nun, also am Ende des Intervies zeigte der Journalist dann aber zumindest Sinn für Dramatik, denn die größte Frechheit hatte er sich für den Schluss aufgehoben: "Dann würden Sie also ein Hakenkreuz dulden?" - Gerade als ich meinen Gedanken: "im Prinzip ja", äußern wollte, schaute ich in die erwartungsvollen Augenpaare und mir fiel hier dann doch mal, wie man so sagt, die Kinnlade runter: "Wie bitte? Sie wollen mir doch nicht ernsthaft unterstellen, ich wäre für das Hakenkreuz, nur weil ich betone, dass das Recht der freien Meinungsäußerung auch für Rechte gelte?" Genau das wollte er wohl. Ich habe gelacht und bin dann gegangen.
Mal sehen wie sich die Vertreter der Journaille, die hochempört waren, als ich sie auf ihre Tricks und Schliche ansprach, das Interview zusammenschneiden. Aber mitunter geschehen ja Wunder.
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