Wolfgang Hebold

Die Verheerung Europas *

Ein Tagebuch des Niedergangs
2019 2021
Freitag, 6. November 2020
Neuwahlen sind die einzige Lösung!

Das Ergebnis der US-Wahlen vom Dienstag ist umstritten und wird umstritten bleiben – egal wie jetzt noch ausgezählt wird. Doch schon das jetzige Resultat erlaubt nur eine einzige Lösung: Neuwahlen. Neuwahlen im ganzen Land, oder zumindest in den Bundesstaaten, in denen die Stimmen nahezu gleichverteilt sind oder die Auszählung durch zahllose Fehler wertlos geworden ist.

Dass diese Lösung die einzige mögliche ist, liegt nicht nur an dem Ergebnis und den Umständen der Stimmenauszählung. Es liegt auch, ja ganz zuerst an dem Weg zu den Wahlen.

Für jeden Historiker der deutschen Geschichte gehört es zum Einmaleins, die Wahl vom März 1933 ›nicht mehr demokratisch‹ oder zumindest ›kaum mehr demokratisch‹ zu nennen. Zitat aus Wiki: »Im Wahlkampf verübten Mitglieder der NSDAP in sehr verstärktem Maße Übergriffe auf politische Gegner aus der KPD und SPD. Gegendemonstrationen wurden verboten, kommunistische und sozialdemokratische Zeitungen durften tagelang nicht erscheinen, zudem wurden Wahlplakate überklebt und praktisch jegliche politische Opposition zunehmend unterdrückt.«

Genau in solchen Zeiten leben wir heute und der Wahlkampf in den USA war nur ein weiteres Beispiel. Konsequent wurde die öffentliche Meinung durch eine übermächtige linke Medienmehrheit manipuliert. Meldungen des Präsidenten wurden von Twitter zensiert. Linke Gewalt beherrschte die Straßen. Groteske Umfrageergebnisse taten ein übriges.

Deshalb nimmt kaum jemand das Wahlergebnis vom März 1933 ernst. Die Wahl gilt als Fake-Wahl. Und deshalb sollte auch niemand das Wahlergebnis vom Dienstag ernst nehmen. Es ist einseitig für Biden verzerrend. Und jeder weiß, wie das Ergebnis aussehen würde, hätte Trump über die entsprechenden Mittel und Wege verfügt.

Zu diesen undemokratischen Verhältnissen im Vorfeld der Wahlen kommen nun noch zahlreiche Ungereimtheiten bei Prozess der Auszählung – und das fast durchgehend in Wahlkreisen mit einer traditionellen Mehrheit für die US-Demokraten.

Dass der amtierende Präsident trotzdem den Sieg fast in der Hand hält, spricht für den amerikanischen Wähler. Der hatte sich schon bei der Wahl im Jahr 2016 nicht entscheidend beeinflussen lassen. Und weil die US-Demokraten sich ihrer Sache vor vier Jahren so sicher waren, wurde ein möglicher Wahlbetrug durch die US-Demokraten damals nicht vorbereitet.

Das war in diesem Jahr anders. 2020 war die US-Demokraten gewarnt. Also wurde in einigen Wahlbezirken die Auszählung mit allen Mitteln verzögert. Was weiter geschah, müssten Untersuchungen zeigen. Das aber kann dauern, zu lange dauern.

Und deshalb sind schnelle Neuwahlen der einzige Weg. Entweder wählt das ganze Land ein weiteres Mal. Oder es wird zumindest in den Bundesstaaten noch einmal gewählt, in denen Zweifel am Endergebnis sinnvoll erscheinen. Bei dieser Neuwahl wäre jeder gewarnt. Das Ergebnis käme den wirklichen Verhältnissen sehr viel näher.

Den US-Demokraten wird das nicht passen. Linke Politiker hatten nie ein Problem damit, demokratische Wahlen mit Lug und Trug zu gewinnen.

Deshalb sollten die Gerichte darüber entscheiden. Bestenfalls der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten.

Donnerstag, 13. August 2020
13. August: Wie der Mauerbau den Blick auf den Sozialismus verstellt

Zwei Arten von Gedenktagen gibt es in Deutschland: Die, die man pflegt; und die, die man lieber in den hinteren Teil der Erinnerung schiebt. Der 13.August 1961 gehört zur zweiten Art. An jenem Tag, einem Sonntag, wurde quer durch Berlin und um Westberlin herum eine Mauer gebaut. Heute jährt sich dieser Tag zum 59.Mal.

Einige Politiker erledigen artig ihre Aufgabe, sich dieses Tags zu erinnern. Sie sprechen von der schrecklichen Teilung der Stadt; sie verweisen auf die 283 an der Mauer Ermordeten. Aber in ihren Herzen haben die Gedenkredner diese Untaten längst weit von sich geschoben. Sie gehören, will es scheinen, in eine andere Zeit. In eine Zeit, als man noch wusste, was Sozialismus bedeutet.

Anders ist schwer zu erklären, dass einige eine Zusammenarbeit mit den ideologischen Erben jener Sozialisten für durchführbar halten und andere durch ihre Politik dafür sorgen, dass ein Mann der Ex-PDS zum Ministerpräsident eines Bundeslands wiedergewählt werden kann. Diese Politiker haben die Morde an der Mauer vergessen; zumindest spielen sie keine wesentliche Rolle für sie und ihr politisches Handeln. Damit aber vergehen sich diese Politiker an den Opfern der Mauer..

Allerdings macht der Mauerbau es auch einfach, den wahren Charakter des Sozialismus übersehen zu wollen. Denn wie man es dreht: Verglichen mit dem ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden, dem National-Sozialismus, ist der zweite, die DDR, eigentlich relativ harmlos; eine schnöde Diktatur, wie sie es immer schon gab und immer noch gibt; aber eben keine mit Hekatomben von Toten wie unter den National-Sozialisten. Das Dritte Reich ist ein Schandfleck in der deutschen Geschichte, die DDR dagegen ein Schmutzfleck.

Daher gilt es, am 13.August nicht nur an die Maueropfer zu denken. Um die geht es auch. Aber durch diesen Tag hindurch muss der Blick auf Mauer und Stacheldraht fallen, denn sie stehen für den Sozialismus und seine Geschichte und seinen wahren Charakter: Er ist ein Gefängnis.

Als es die Mauer noch gab, hat das jede Fahrt mit der S-Bahn über die Mauer bestätigt: Aus den rot-beigen Wagen konnte der Fahrgast aus dem geöffneten Fenster auf Zäune, Schussanlagen und Minenfelder blicken. Da gab es keinerlei Zweifel; oder wie ein Italiener mir damals sagte: »Es ist wie ein KZ.« Und ein Staat., der seine Bürger auf diese Art einpfercht, der kann kein guter Staat sein.

Und noch aus einem anderen Grund wird durch die Mauer der Blick auf den Charakter des Sozialismus verhindert; gerade heute, am Gedenktag für ihren Bau. Denn der 13.August scheint einen Anfangspunkt zu markieren, weil der Bau der Mauer ein Skandalon war. Alle Welt schaute an jenem Sonntag und in den folgenden Jahren auf Berlin – und deshalb schaut heute kaum mehr jemand auf die Jahrzehnte Sozialismus davor. Und so macht sie, die Mauer, die anderen Opfer vergessen: Die Leichenberge in der ›Lubjanka‹, die Todeslager in Kolyma, den Massenmord durch Arbeit am ›Weißmeerkanal‹, schließlich den ›Holodomor‹, den Völkermord durch Hunger an den Ukrainern.

Politiker der Linken, also Sozialdemokraten, Grünen und vor allem Mitglieder und Unterstützer der Ex-SED, verstehen es, diese Bedeutung der Mauer für ihre Zwecke zu nutzen. Sie verweisen auf ihre Gedenken an die Opfer von Mauer und Stacheldraht; aber tatsächlich verweisen sie auf die Mauer, um nicht auf die sozialistischen Großverbrechen verweisen zu müssen. Denn schon ein kurzer Blick auf die Todeszahlen beweist: Die Massenmorde der National-Sozialisten waren keine Verbrechen, die eine geschichtliche Sonderbehandlung verlangen, sondern sie sind Teil der mörderischen Geschichte der Zeit nach der Französischen Revolution.

Und so können sie, wie etwa die Führung der SPD, heute »den Sozialismus« wieder als wünschbare Zukunft in den Medien preisen. So können sie wieder von Enteignungen reden und Politiker der Ex-SED sogar darüber witzeln, die Reichen erschießen zu wollen. So können linke Politiker sich in Talk-Shows räkeln und über die guten Ziele ihrer sozialistischen Visionen schwadronieren, ohne dass auch nur einer im Studio auf den verbrecherischen Charakter ihrer Ausführungen verwiese. Noch immer suchen offenbar einige nach dem, was man, ohne alle Ironie, einmal ›Sozialismus mit menschlichem Antlitz‹ genannt hat. Der Sozialismus ist wieder ›in‹.

Doch wer betonen muss, dass er menschlich aussehen kann, hat sehr viel Unmenschlichkeit zu verbergen. Daran sollte der Mauerbau erinnern.

Samstag, 8. August 2020
Analphabeten können nicht Programmieren

Dass Deutschland im dem weiten Bereich, der heute unter dem Kürzel IT in aller Munde ist, tatsächlich bedeutungslos ist, wird von Politik und Gesellschaft mit geradezu fahrlässiger Selbstverständlichkeit akzeptiert. Und egal, ob man Hardware oder Software betrachtet: Es gibt, mit einer Ausnahme, praktisch kein bedeutendes deutsches IT-Unternehmen, das weltweit aufgestellt ist. Immerhin hat die Politik seit kurzem erkannt, dass es mit der IT schon in Deutschland selber nicht so weit her ist. Unter dem Losungswort ›Digitalisierung‹ wurde daher zur Offensive geblasen. Erstes Ziel sind die Schulen; sie sollen, mit entsprechender Hardware ausgestattet, zuerst die Schüler und dann das Land nach vorne bringen.

Doch schon hier zeigt sich, dass die Verantwortlichen überhaupt nicht verstanden haben, warum Deutschland so weit hinterherhinkt: Denn nicht fehlende Strippen und WLAN-Router sorgen dafür, dass die IT-Industrie dieses Landes bedeutungslos ist – es ist die stiefmütterlich behandelte Software. Und um sie soll es im folgenden gehen.

IT ist hier also nicht hardware-, sondern softwaretechnisch gemeint. Es geht um das Betreiben der Hardware. Und hier wurde Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum Entwicklungsland degradiert. Als Grund wird, falls überhaupt jemand offen darüber spricht, die mangelhafte Ausbildung der Schüler in den sogenannten MINT-Fächern angeführt: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Was, darüber besteht kein Zweifel, stimmt.

Allerdings wurde bei all den lebhaften Diskussionen über die MINT-Fächer und deren projektierte Förderung übersehen, dass es noch einen weiteren Grund gibt, warum Deutschland hinsichtlich Software so schlecht aufgestellt ist. Und dieser Grund liegt in einer ganz anderen Ecke der Bildungslandschaft; in einer Ecke, wo man üblicherweise Ursachen für Schwierigkeiten im Umgang mit Mathematik und Naturwissenschaften, Informatik und Technik nicht vermutet: In der Vernachlässigung der deutschen Sprache. Nicht dass über deren Vernachlässigung nicht geklagt worden wäre. Da wird die Sprache der jungen Leute als flach kritisiert, es werden Anglizismen moniert und wer hätte nicht schon einmal über den Sprachverfall nachgedacht. Die Schulkinder können zum Teil nicht einmal mehr in Schreibschrift in ihr Tagebuch schreiben, Rechtschreibung wird in den Schulen immer später verlangt, von der Grammatik will man gar nicht erst reden. Doch als Grund für das Desaster an der IT-Front wird das Desaster im Bereich der deutschen Sprache, jedenfalls nach meiner Kenntnis, nirgends genannt. Da bestimmt das hergebrachte Diktum, Menschen seien entweder sprachlich-künstlerisch oder mathematisch-logisch begabt, die Sicht auf die Dinge.

Indes ist die Grundlage aller laufenden Software das Programm; oder wie man heute zu sagen pflegt: Die App. Und Apps werden in Sprachen geschrieben, die nicht zufällig Programmiersprachen heißen, ausdrücklich Sprachen. Denn wie jede andere Sprache haben Programmiersprachen ein Vokabular, sie werden von einer Grammatik beherrscht und ihre Texte haben ein Schriftbild. Das Vokabular entspricht im wesentlichen den zugelassenen Zeichen und dem Befehlssatz; er ist begrenzt und fest definiert. Die Grammatik basiert auf dem, was übrig geblieben ist von den zähen und vergeblichen Versuchen, eine Universalgrammatik menschlicher Sprachen zu finden: Dem Regelwerk für Sprachen, die eine Maschine verarbeiten kann; es ist, wie schon das Vokabular, begrenzt und fest definiert. Vokabular und Grammatik dienen der Kommunikation mit der Maschine. Allerdings wird in Programmiersprachen wie C oder Java auch mit anderen Programmierern zwar nicht gesprochen – aber mit den entstandenen Texten werden Algorithmen beschrieben und auf diesem Weg dienen sie zugleich der Verständigung mit den Kollegen und schließlich sogar mit sich selber, wenn man später noch einmal nachlesen will, was genau denn programmiert werden sollte. Daher ist auch das Schriftbild von zentraler Bedeutung: Es muss lesbar sein und verständlich.

Wenn nun aber Programmiersprachen für die Softwareentwicklung essentiell sind, dann sind es auch die drei Elemente: Vokabular, Grammatik und Schriftbild. Ohne sie bleibt einem Schüler der Zugang zu den Ausdrucksformen dieser Sprachen verschlossen; zumindest wird der Zugang deutlich schwerer gemacht – mit gravierenden Folgen für die Softwareentwicklung. Denn anders als in der Kommunikation in einer natürlichen Sprache wie Deutsch oder Englisch, kennt der Rechner kein Pardon beim sprachlichen Ausdruck: Was nicht korrekt formuliert worden ist, nimmt er nicht an. Und der Hinweis, der beim menschlichen Gegenüber fast immer hilft: ›Du weiß doch, was ich gemeint habe ?‹, diese Hilfestellung ist hier nicht einmal erwünscht. In keinem Fall soll die Maschine nach Gutdünken deuten. Rechtschreibung und Grammatik sind beim Programmieren also entscheidend. Und was in einem krausen Schriftbild ausgedrückt wurde, versteht ein Programmierer selber schon nach wenigen Tagen nicht mehr, von den Kollegen erst gar nicht zu reden.

Ein Sinn fürs Schriftbild, ein Pflichtgefühl gegenüber richtiger Schreibung, ein Gefühl für Grammatik – sie sind die Voraussetzung fürs Programmieren; zumindest sollte der Schüler die Bedeutung aller drei Elemente verstehen. Das mag überraschen. Für gewöhnlich wird Programmierung mit logischem Verständnis verknüpft und man wird einwenden können, am Ende sei das logische Denken entscheidend und nicht Schriftbild, Rechtschreibung oder Grammatik. Doch genau das ist ein Irrtum. Wer die Mittel der Sprache und das Gesagte trennt, hat im Grunde Sprache nicht wirklich verstanden. Es ist nicht nur die Logik des ausgedrückten Gedankens, die den Umgang mit der Sprache bestimmt – es ist auch der sprachliche Ausdruck an sich. – Was damit gemeint ist ?

Man nehme etwa das Schriftbild. Ja, es ist, wie schon angedeutet, für die Verständigung nötig. Aber tatsächlich ist es noch mehr. In einem Seminar zur Programmiersprache R, einer Sprache zur Formulierung statistischer Auswertungen, sprach ich vor einem gemischten Publikum – teils IT-Fachleute, teils Anfänger –  von der ›Zeichenlust‹, die man bräuchte, um ein guter Programmierer werden zu können. Die Spezialisten stutzten kurz, stimmten mir aber dann lachend umgehend zu; die Anfänger blieben skeptisch: Zeichenlust ? Was sollte das sein ? – Nun, Zeichenlust ist die Freude am Schriftbild! Das reicht von der Versstruktur eines Gedichts über eine mathematische Formel zum Schriftbild eines Computer-Programms. Wer diese Freude nicht teilt, der wird in den Bereichen nie zu etwas bringen, denn die Zeichen sind nun einmal das Handwerkszeug von Dichtern, Mathematikern und eben Programmierern. Es ist wie bei jedem Künstler: Das Werkzeug ist die Verlängerung seines Gedankens, seiner Idee; beide sind nicht voneinander zu lösen. Umgekehrt wird daher ein Schuh draus: Weil auch Mathematik und insbesondere Logik ein Sprachsystem bilden, ist der herrschende Sprachverfall eine zentrale Ursache für den Niedergang Deutschlands in beiden Bereichen.

Somit ist klar: Der heutige, zunehmend ärmlicher werdende Sprachunterricht mit Politikern und Pädagogen, die Schrift, Rechtschreibung und Grammatik für unwichtig, gar hinderlich für die Ausdrucksmöglichkeit halten, dieser Sprachunterricht ist maßgeblich verantwortlich für die schlechte Position Deutschlands bei der Softwareentwicklung. Wer seine Muttersprache nicht richtig liest oder schreibt, wird auch in keiner Programmiersprache lesen und schreiben. Die Laxheit im Umgang mit Sprache, wie sie sich seit den Partytagen der 1960er Jahre breitgemacht hat, führt also nicht nur zur Dummheit – das macht sie auch; sie führt auch in einem scheinbar so weit entfernten Gebiet wie der Handhabung des Computers zum Analphabetismus.

Aber besteht der Zusammenhang überhaupt speziell im Deutschen ? Gilt er nicht generell ? Und müsste nicht eigentlich Englisch noch mehr in den Vorgrund rücken, da praktisch alle Programmiersprachen auf der englischen Sprache basieren ? – Ja, der Zusammenhang gilt generell: Es geht um das Erlernen von Sprachen im Allgemeinen, nicht nur um das Deutsche. Aber mit dem Deutschen ist es vielleicht doch noch etwas mehr.

Zunächst: Programmiersprachen basieren zwar auf einem Grundvokabular, das aus dem Englischen stammt. Allerdings handelt es sich nur um relativ wenige Worte wie if, while oder switch. Zu sagen, eine Programmiersprache wie C wäre Englisch, ist daher kaum sinnvoll; es ist eine eigene Sprache; es ist eine Sprache, die von ihrem besonderen Schriftbild, ihrer Rechtschreibung und einer formalen Grammatik beherrscht wird. Sie zu erlernen setzt ein allgemeines, abstraktes Verhältnis zu diesen drei Elementen einer Sprache voraus. Trotzdem könnten Sprachen mit einer Betonung des Schriftbilds, Sprachen mit einer verwirrenden Rechtschreibung, Sprachen mit einer subtilen Grammatik wirksamer sein als andere Sprachen. Und wer wollte bezweifeln, dass das Deutsche wenigstens zwei der genannten drei Elemente sicherlich bietet: Eine Wirrwarr an Rechtschreibregeln und eine hochkomplexe Grammatik. Könnte es sein, dass diese scheinbaren Nachteile unserer Sprache sich langfristig womöglich als Vorteil erweisen ? Dann hätte diese große europäische Sprache noch eine andere Zukunft, die man von ihr auf den ersten Blick nicht erwartet.

Samstag, 20. Juni 2020
Die letzten Rassisten

Der Begriff des Rassismus schreibt einer makabre Geschichte. Vom selbstverständlichen Attribute schafft er es über einen weiten Bogen in eine Region, in die nur wenige Worte gelangen: Er dient einem Zweck, indem er diesen bekämpft.

Eigentlich lässt sich Rassismus leicht definieren: Abgeleitet von Rasse wird mit Rassismus ein Gedankengebäude bezeichnet, das Rassen beschreibt und zu erklären versucht. Und was Rasse ist, meint jeder zu wissen, der weiß, was ein Hund ist. Es gibt Pudel und Schäferhunde, Pinscher und Dackel; bei Pferden ist es nicht anders, nur sind die verschiedenen Rassen nicht mehr so geläufig.

Allerdings wird bei Pferden nicht nur von Pferderassen, sondern auch von Rassepferden gesprochen. Und damit tritt zur Unterscheidung nach Rassen ein Wertunterschied. ›Ein Pferd hat eine Rasse‹ sagt deutlich anderes als: ›Das Pferd hat Rasse.‹ Ein Rassepferd ist ein besonders Pferd, schneller und edler als alle anderen Pferde.

Diese Vieldeutigkeit des Begriffs Rasse überträgt sich mittlerweile jedoch nicht auf den Begriff des Rassismus und schon gar nicht auf den des Rassisten. Rassistisch ist heute eine Beschreibung, die nicht nur unterscheidet, sondern zugleich rigoros wertet. Und beim Rassisten schließlich spielt die Unterscheidung nach Rassen selber kaum mehr eine Rolle. Allein die Wertung bildet als Abwertung eine zentrale Eigenschaft des Rassisten und verleiht ihm den unangenehmen Geschmack.

Denn nun erfasst der Begriff des Rassisten eine Bedeutung, die die Rasse, insbesondere im wissenschaftlichen Sinne, nicht kennt: Zur Abwertung anderer Rassen tritt das Ziel, sie auszumerzen, hinzu. Ja, der Rassist kommt nicht mehr als neutraler Betrachter biologischer Unterschiede daher; nein, er wird Handelnder in einem Kampf. Der historische Hintergrund ist offensichtlich: Der Nationalsozialismus und der Mord an den europäischen Juden. Juden wurden nicht aus religiösen oder politischen, sondern allein aus rassischen, besser rassistischen Gründen getötet. Und die Rassisten wussten genau, was sie taten. Der wissenschaftliche Anstrich, sofern sie sich einen gaben, war eben nur Tarnung.

Doch die Klarheit in der Begründung der Rasse ist eine Täuschung, denn die sogenannten Nürnberger Gesetze definierten Juden über die Abstammungslinie – was im Sinne eines biologischen Rassebegriffs durchaus konsequent war. Indes entschied nicht nur die Rasse, sondern die Zugehörigkeit zur Religion und die Befolgung der Rituale darüber, ob jemand als jüdisch eingestuft wurde oder nicht. Denn Ausnahmen von diesem Tötungsgesetz gab es auch hier.

Damit aber ist ein weiterer Bedeutungswandel des Begriffs der Rasse erkennbar. Der, wie etwa bei Hunden und Pferden, biologisch fundierte Begriff wird religiös, soziologisch oder gar politisch begründet. Für die Juristen, die die Nürnberger Gesetze anwenden sollten, ergab sich damit ein ernstes Dilemma: Was sollte man mit einem Arier machen, der sich als Jude bekannte ? Biologisch durfte es diesen Fall gar nicht geben und es hat auch nur wenige Fälle gegeben. Aber wenn es so kam, dann war die Handlung entscheidend. Jude war, wer jüdische Eltern hatte oder sich zur jüdischen Religion bekannte und sie auch praktizierte.

Dieser Wandel hat sich in den folgenden Jahrzehnten fortgesetzt und heute zu einem, wenn auch umstrittenen, aber sehr allgemeinen Verständnis geführt. Ein Rassist ist schon, wer Unterscheidungen nach Religion, politischer Haltung oder soziologischer Zuordnung feststellt und den Gedanken einer Wertung auch nur streift. Schlagartig wächst die Zahl der Rassisten dramatisch. Ein Moslem, der seine Religion über die anderen stellt, wird zum Rassist. Ein Armer, der die Reichen für ihren Reichtum verachtet, wird zum Rassist. Ein Grüner, der die Roten für ihre Morde verdammt, wird zum Rassist. Die Zahl der Beispiele lässt sich beliebig erhöhen.

Eine Gruppe wird im allgemeinen jedoch nicht zu den Rassisten gerechnet. Und gerade diese Gruppe hat es wirklich verdient: Die Anti-Rassisten. Auch sie unterscheiden nach Arten: Rassisten und Anti-Rassisten. Auch sie stellen sich über die andere Art: Rassismus ist böse, Anti-Rassismus sind gut. Auch sie beziehen rigoros Position: Keine andere politische Gruppe wird so mit allen Mitteln staatlicher Propaganda gefördert. Das Räderwerk des zivilgesellschaftlichen Faschismus läuft heutzutage geradezu heiß. Als neuestes Ziel haben die Grünen gefordert, das Grundgesetz zu verändern. Der Begriff der Rasse soll aus Artikel 3 der Verfassung verschwinden; also jener Begriff, dessen Bedeutung, wie wir sahen, die aggressive Deutung überhaupt noch nicht zulässt.

Noch heißt es: »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.« – Eine klare Wortwahl und eine klare Bedeutung. Dafür wollen die Grünen dem Grundgesetz eine Formulierung einpflanzen, in der es heißen soll: »Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder rassistisch benachteiligt oder bevorzugt werden.«

Was sprachlich wie praktisch dasselbe daherkommt, vollzieht über das Adjektiv ›rassistisch‹ genau den Übergang von Rasse zu Rassismus und damit einen Bedeutungswandel, wie wir ihn eben beschrieben. Dabei spielt der grammatikalische Wandel nur die Rolle der Brücke hin zum Anti-Rassist. Nur um den geht es. Robert Habeck sagt das deutlich, als er in einem Gespräch mit der links-faschistischen Berliner taz erklärt: »Es ist Zeit, dass wir Rassismus verlernen.«

Natürlich verlernt niemand Rassismus, wenn im Grundgesetz ›Rasse‹ durch das fast gleichlautende ›rassistisch‹ ersetzt wird; solch einen Schluss wird nur ein unrasierter Kleinbürger ziehen. Aber die Vorstellung, man könne ›Rassismus‹ vergessen zeigt buchstäblich, was die Grünen eigentlich wollen: Aus der begrifflichen Kette Rasse – Rassismus – Rassist sollen die Glieder Rasse und Rassismus verschwinden. Bleiben wird der Rassist. Und sein Gegner: der Anti-Rassist. Die Grünen wollen, das ist es, was der Wortwechsel meint, die Grünen wollen den Anti-Rassisten zum Hüter des Staates erheben.

Wer das nicht glaubt, lese den Satz, den die Grünen an den Artikel 3 anfügen wollen: »Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.« Denn natürlich gewährt nicht der Staat diesen Schutz – es sind jene, die der Staat mit dem Schutz beauftragen wird. Wer könnte das anderes sein, als die zivilgesellschaftlichen Gruppen aus dem Umfeld der Grünen: Die selbsternannten Anti-Rassisten.

Und so würden am Ende die letzten Rassisten die Verfassung beschützen.

Sonntag, 31. Mai 2020
Verschwörungstheorien sind politisch

Verschwörungstheorien sind in aller Munde. Für die einen bieten sie eine Erklärung für das Geschehen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus; für andere sind sie der Ausdruck einer verdächtigen Haltung; und am Horizont droht die Staatsmacht, ihnen mit den ihr eigenen Mitteln den Graus zu machen.

Noch bewegen wir uns jedoch in der Phase der Diffamierung. Verschwörungstheorien wird im Namen der Wissenschaften mit wissenschaftlichen Methoden und Argumenten begegnet. Das Herzstück dieser Offensive von Mainstreammedien und Regierung ist auf der einen Seite der sogenannte Faktencheck; auf der anderen Seite werden prinzipielle Gründe genannt, warum Verschwörungstheorien zumindest unter Verdacht gestellt werden sollen.

Zu den wichtigsten Argumenten, ja man kann sagen, es ist überhaupt das zentrale Argument, zählt, Verschwörungstheorien würden nicht zur Wissenschaft zählen, wären Mythen, Spinnereien, folgten einem wie auch immer gearteten Narrativ. Und fast alle Vertreter einer der vielen Verschwörungstheorien steigen ein auf diese Debatte, indem sie versuchen, das Gegenteil zu beweisen; gleichsam als Beleg dafür, wissenschaftlich zu sein.

Indessen ist gerade diese Sichtweise falsch. Wissenschaftlich im strengen Sinne des Wortes sind Verschwörungstheorien grundsätzlich nicht. Wer das meint, hat ihren Kern nicht verstanden. Verschwörungstheorien stehen nicht auf einer Ebene mit einer Theorie über ein Virus oder den Klimawandeln – Verschwörungstheorien sind politische Theorien im eigentlichen Sinne des Wortes: Sie setzen voraus, dass es jemanden gibt, der in feindlicher Absicht die Realitäten verzerrt. Man kann auch sagen: Jemand manipuliert das Labor, in dem die Experimente durchgeführt werden.

Damit aber sind Verschwörungstheorien keine naturwissenschaftliche Theorie, können es gar nicht sein. Eine solche zeichnet sich, frei nach Sir Popper, dadurch aus, dass sie die Möglichkeit ihrer Widerlegung selbst präsentiert. Kurz gesagt: Sie darf sich nicht gegen eine Widerlegung immunisieren.

Doch genau dieser methodische Zwang zur expliziten Selbstkritik setzt etwas voraus, was nur ein gutgläubiger Naturforscher annehmen kann: Eine Natur, die sich offen und ehrlich offenbart. Nun wussten zwar schon die Alten, dass die Natur es liebt, sich zu verbergen. Aber es war Descartes, der den nächsten Schritt unternahm, und eine täuschende Natur unterstellte; ja, er postulierte sogar einen deus malum, als er systematisch zu zweifeln begann: »Ich will daher annehmen, daß zwar nicht der allgütige Gott, der die Quelle der Wahrheit ist, wohl aber irgend ein ebenso böser, wie mächtiger und listiger Geist all sein Bestreben darauf richtet, mich zu täuschen«.

Wer annimmt, ein solcher böser Geist könne auch im Labor sein Unwesen treiben, für den hat die Poppersche Falsifizierung ihre Geltung verloren. Denn nun steht jedes Laborresultat unter Verdacht, eine Fälschung durch diesen Dämon zu sein. Descartes hat die Konsequenzen gezogen und das Denken selbst als einzig sicher erklärt: »Ich denke, also bin ich.« – Das kann nicht einmal ein ganz böser Geist widerlegen.

Doch Verschwörungstheorien beschäftigen sich nicht mit Verschwörungen unter Philosophen. Sie betrachten die Realität. Und in ihren Theorien ist ein böser Geist Teil der Hypothese. Und sofort entfällt jede Kritik, die sich auf die fehlende wissenschaftliche Vorgehensweise beruft. Im Gegenteil: Weil absolut jedes Laborergebnis unter Verdacht steht, ergibt sich ein unendlicher Regress.

Dieser Regress hat einen eigenen Status und ist deutlich von der üblichen Situation im Labor zu unterscheiden und hat insbesondere mit der prinzipiellen Unsicherheit der Quantenmechanik nichts zu schaffen. Jeder Naturforscher weiß, dass seine Resultate ungenau sind und später widerlegt werden können. Aber sie stellen doch den momentanen bestmöglichen Stand der Forschung dar – zumindest theoretisch; man kann die Resultate immer weiter verbessern. Und in der Quantenmechanik lassen sich nun einmal bestimmte Dinge niemals gemeinsam messen und man wird auch nicht immer genauere Ergebnisse finden.

Doch wenn der Verschwörungstheoretiker versucht, den Regress durch einen abschließenden Beweis abzubrechen, dem wird es wie dem Skeptiker in dem Witz ergehen, den man sich in Moskau in 1940er Jahren erzählte: Einem Besucher des dortigen Zoos wird ein Krokodil gezeigt, das offensichtlich nicht länger als drei Meter ist. Doch der Wärter behauptet kategorisch, das Krokodil messe acht Meter. Als der Besucher weiterhin zweifelt, schlägt der Wärter schließlich vor: »Klettern Sie doch rüber und messen es nach.«

Verschwörungstheoretiker bewegen sich erkenntnistheoretisch auf einem anderen Eis als Naturwissenschaftler. Und mit Sozialwissenschaftlern sind sie auch nicht vergleichbar. Zwar sind die Kriterien des Arbeitens zwangloser; zumindest in der Theorie diskreditieren Immunisierungsstrategien aber auch bei ihnen einen theoretischen Ansatz. Allerdings bringt die Statistik ebenfalls eine Endlosigkeit in das Verfahren. Was jedoch fehlt, ist der ›böse Dämon‹.

Verschwörungstheoretiker bewegen sich erkenntnistheoretisch auf einem anderen Eis als Natur– und Sozialwissenschaftler. Der Vergleich mit einem Prozess, bei dem die Richter nicht mehr unabhängig von den staatlichen Organen entscheiden, passt weitaus eher. Vor einem solchen Gericht würde der Faktencheck offensichtlich zur Farce und niemand würde einem Spruch der Jury auch nur eine Minute Aufmerksamkeit schenken. Wenn davon etwas in einem Rechtsstaat bekannt wird, kann der Angeklagte den Gerichtssaal ohne Zögern frei und unbeschadet verlassen. In einem Unrechtsstaat würde sich wohl kaum ein Ankläger gegen die Mächtigen finden.

Damit wird die Besonderheit deutlich: Verschwörungstheorien postulieren, wie der Name eigentlich jedem verrät, eine Verschwörung. Diese Verschwörung ist Teil der Theorie; sie lässt sich nicht aus ihr kürzen. Sie ist der ›böse Dämon‹, den Descartes bloß spielerisch einführt. Und indem die Theorie einen »bösen Geist« unterstellt, sieht sie einen Feind. Damit aber wird jede Verschwörungstheorie politisch, sofern Politik in den Bereichen von Freund– und Feindschaft beginnt. Verschwörungstheorien gehören zur Politik im Sinne Carl Schmitts. Er hat bekanntlich den Bereich des Politischen als den definiert, der nach Freund und Feind unterscheidet, so wie die Ästhetik nach schön und hässlich, die Moral nach gut und böse und die Ökonomie nach nützlich und schädlich unterscheidet.

Der Feind des Verschwörungstheoretikers ist die Verschwörung, der er auf der Spur ist. Damit aber wird er gefährlich für die Verschwörer. Und der wird reagieren. Rein juristisch können die staatlichen Organe den Theoretikern, zumindest noch heute, nicht so einfach begegnen. Verschwörungstheorien fallen unter Artikel 5 der Verfassung, sind sie also durch die Gesetze vor staatlichem Zugriff geschützt, weil Theorien keine Tatsachenbehauptungen sind.

Doch genau das wissen die Machthaber ebenfalls nur zu genau. Und deshalb haben sie die Schlagrichtung in den vergangenen Wochen geändert. Jedwede Kritik an den Corona-Maßnahmen wird selber als Verschwörungstheorie diskreditiert, es wird also der Eindruck erweckt, die Kritiker steckten unter einer gemeinsamem Decke. Mit anderen Worten: Die Verschwörungstheoretiker bilden – angeblich – selbst eine Verschwörung, sie sind Verräter, sind der Feind.

Diese Erklärung zum ›inneren Feind‹ wird durch die Diskussion über eine angebliche Unwissenschaftlichkeit von Verschwörungstheorien kaschiert. Doch jeder, der heute die Maßnahmen der Regierung anzweifelt, befindet sich genau in dieser politischen Lage. Pointierter und als Warnung formuliert: Falls der Verschwörungstheoretiker recht hat, begibt er sich in Gefahr. Darüber sollte sich jeder Vertreter einer Verschwörungstheorie klar sein. Es wird Ernst.

Samstag, 17. Mai 2020
Was steht wirklich im sogenannten ›Corona-Papier‹ ?

Seit einer Woche geistert der Bericht eines Mitarbeiters des Bundesministeriums des Innern durch die Medienlandschaft. Ich sage geistern, denn von einer klaren Auseinandersetzung mit dem Papier kann keine Rede sein. Zwar stürzten sich sofort alle darauf, nach bei Tichy ein erster Hinweis erfolgte; aber bei einigen Kommentatoren gewinnt man den Eindruck, sie hätten sämtliche Zeilen bei Kollegen zusammengesammelt. Denn ein einzelnes Papier existiert überhaupt nicht; es sind eigentlich zwei.

Bevor geklärt wird, was in den Papieren eigentlich steht, gilt es, ihren Werdegang zu erläutern. Ein Mitarbeiter des Ministeriums des Inneren hatte, heißt es bei Tichy, sich um den 29. oder 30.April Gunter Frank gewendet, mit der Bitte, ihn bei einem Anliegen fachlich zu unterstützen. Es ging, wie könnte es sein, um Corona. Offenbar saß der Mann zumindest in der Nähe der Macht – also stieß er auf offene Ohren.

Das Anliegen ist in wenigen Worten erklärt: Der Mitarbeiter, ich nenne ihn K., hatte seinen Vorgesetzten ein von ihm erstelltes Papier vorgelegt, dass die Vorgehensweise der Regierung deutlich kritisierte. Dieser ›Auswertungsbericht des Referats KM 4 (BMI)‹ ist auf den 25. April datiert und umfasst 83 Seiten mit einer Anlage.

Der Inhalt des ›Auswertungsberichts‹ kreist um ein einziges Thema: Die Schadensanalyse der Bundesregierung und ihrer Behörden. Diese Schadensanalyse sei defizitär, weil sie einen Aspekt komplett unterschlage: Die Schäden der Maßnahmen gegen das Virus. Indirekt aber deutlich forderte K. eine solche Analyse umgehend zu beginnen.

Als die angeschriebenen Behörden nicht reagieren, wendete sich K. an Gunter Frank. Offenbar verfügte K. nicht über die Mittel, diese Analyse, die seine vorgesetzte Behörde nicht durchführen will, selbst durchzuführen. Also bat er Gunter Frank um Unterstützung – die der Gefragte auch sofort zusagen konnte. Er wendete sich an mehrere ihm bekannte Kollegen. Diese ließen eine Schadenanalyse der Maßnahmen gegen Corona erstellen. Ob mit Frank oder K. zusammen wird nicht deutlich. In jedem Fall entstand ein zweites Papier. Auch dieses ging, muss man vermuten, in die Behörde.

Dieses zweite Papier enthält eine Auflistung aller möglichen schädlichen Folgen des Lock-Down. Allerdings befindet es sich in dem pdf-Dokument, das momentan im Internet kreist, am Beginn der Datei; die 83 Seiten der eigentlichen Kritik von K. bilden den zweiten, deutlich umfangreicheren Teil.

Doch Medien, Politiker und Kritiker der Regierungsmaßnahmen stürzten sich, nachdem das ›Corona-Papier‹ öffentlich wurde, auf den ersten, zeitlich und logisch aber nachgeordneten Teil. Ja, es entstand der Eindruck, als handele es sich bei um eine Analyse aus der Feder von K. Die Überschrift ›Analyse des Krisenmanagements (Kurzfassung)‹ legte das nahe. Nur handelt es sich keineswegs um eine Kurzfassung des weiter unten folgenden ›Auswertungsberichts‹; es handelte sich um das Resultat der Analyse. Was hier zusammengefasst worden ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Eventuell ist dem Ministerium durch K. eine sehr viel umfangreichere Analyse zugeschickt worden. Bei mehreren beteiligten Fachleuten liegt das nahe.

Die Reaktion der Regierung auf das zweite Papier, im Folgenden ›Analyse‹ folgte prompt. Der Mitarbeiter wurde fürs erste suspendiert. Auch auf den ›Auswertungsbericht‹ hatten die Behörden laut Tichy schon nicht freundlich reagiert. Anders als im Preußischen Generalstab, in dem jeder Offizier verpflichtet war, Kritik an einer geplanten Operation umgehend zu äußern, hielten es diese Regierungsvertreter mit Duckmäusern in ihren Ämtern. Mit anderen Worten: Sie macht das, was man dem Preußischen Generalstab immer wieder gern und fälschlicherweise unterstellt.

Kurz gesagt: In der Öffentlichkeit wird ein Papier diskutiert, das wahrscheinlich nur zu einem geringen Teil von dem Mitarbeiter des Ministeriums stammt. Doch genau für dieses Papier wird er attackiert. Ein Beispiel: Die Welt wirft K. vor, den Lock-Down fälschlich als ›Fehlalarm‹ zu bezeichnen, titelt sogar ›Fehlalarm-Papier‹. In ihrem Artikel bezieht sich das Blatt dann allerdings auf den ›Auswertungsbericht‹ - in dem das Wort ›Fehlalarm‹ zwar vorkommt. Allerdings nicht in der von der Welt dargestellten Weise. K. spricht nicht von einem ›Fehlalarm‹, sondern warnt davor, dass ein solcher entstünde, wenn eine Analyse des Schadens der Gegenmaßnahmen weiterhin unterbliebe. Von einem ›Fehlalarm‹ wird allein in der ›Analyse‹ gesprochen.

Diese Details des Papiers kümmern die Medien jedoch nicht. Mit den Machthabern drängen sie K. in eine Ecke, in die er ganz sicher nicht gehört: Zu den Verschwörungstheoretikern. K. ist ein fachlich versierter, besorgter Beamter, der seine Vorgesetzten mehrfach gewarnt hat und sich dann an die Öffentlichkeit wendet. Das macht der ›Auswertungsbericht‹ mehr als deutlich, wie wir gleich sehen.

Der ›Auswertungsbericht‹

Tatsächlich ist der ›Auswertungsbericht des Referats KM 4 (BMI)‹ alles mögliche – aber sicherlich kein Verschwörungspamphlet. Im Gegenteil, es ist eine sachliche Analyse des fehlerhaften Managements der Bundesregierung. Dabei steht die »Abwägungsprozesse« [2] im Zentrum der Analyse. Sie sollte »so professionell wie möglich erfolgen« [2] – erfolgte aber nach Einschätzung von K. aber schon im März »unprofessionell und unsolide« [61].

Hinter dieser Arbeitsweise könnte man Absicht vermuten – ein typisches Merkmal von Verschwörungstheorien, vielleicht das Merkmal überhaupt. Das aber macht der Bericht eben nicht. Statt dessen heißt es gleich zu Beginn: »Die Krisenstäbe, und das Krisenmanagement als Ganzes, leisten mit hohem persönlichem Einsatz eine extrem wichtige und zugleich die schwierigste Arbeit, die man sich vorstellen kann.« [2]

Der Bericht zielte zunächst auch nicht auf die Öffentlichkeit. »Es handelt sich ausdrücklich nicht um ein Produkt für die Öffentlichkeitsarbeit, sondern um einen internen Bericht, der keinen anderen Zweck verfolgt, als einen fachlich fundierten Impuls zur Optimierung des Krisenmanagements und zur Maßnahmenplanung zu leisten.« [] Ja, hier schrieb ein Mitarbeiter auch im Zustand der Verzweiflung angesichts der falschen Strategie leitender Leute. Daher mag der ein oder andere Satz aus dem ›Auswertungsbericht‹ überzogen erscheinen und dem geläufigen Beamtendeutsch nicht entsprechen – aber K. ist bleibt immer Fachmann, ein Fachmann, der verständlicherweise am Übermut der Ämter verzweifelt.

Und was steht nun im ›Auswertungsbericht‹ ? – Das ›Auswertungsbericht‹will ich hier nur skizzieren, denn der volle Text ist im Internet leicht verfügbar. Wie gesagt, es geht um den zweiten Teil des Dokuments.

Nach einer Vorstellung seines Amtes, beschreibt K., wie die Verantwortlichen auf die Krise vorbereitet waren. Dabei geht er theoretische Warnungen durch und beschreibt eine Übung von 2007 und die Risikoanalyse aus dem Jahr 2012. Alle Punkte werden im Hinblick auf das durchleuchtet, was K. Kritische Infrastruktur nennt. Dazu zählt K. unter anderem die Gesundheitssysteme, aber auch IT-Sicherheit und Trinkwasserversorgung [74] – Aspekte, die in der aktuellen Situation bestenfalls am Rande erwähnt werden.

Dabei kann K. zeigen, dass schon bei der Auswertung der Übung von 2007 darauf verwiesen wurde, dass die einseitige Risikoanalyse ein Problem werden könne. Zitat: »Im Ergebnis wurde genau das beschrieben, was heute eines der großen Probleme der Krisenbewältigung ist. Die ressortübergreifende Risikobetrachtung war mangelhaft.« [14] K. arbeitet redlich und liefert den Verweis in die Analyse der Übung von 2007. Dann resümiert K.: »Ein extrem schwerwiegendes Defizit und zugleich massiver handwerklicher Mangel eines Krisenmanagements besteht in der unzureichenden Risikoermittlung durch das Krisenmanagement.« [14] Sprich: Es wurden nur die Folgen der Epidemie, nicht aber die Folgen ihrer Abwehr beachtet.

Äußerst kritisch geht er mit den Lageeinschätzungen der Verantwortlichen während der schon laufenden Corona-Krise ins Gericht; ab Seite 41. Auch hier lautet der Tenor: Die Regierung betrachtete allein die möglichen Schäden durch die Epidemie und ließ die schädlichen Folgen der Maßnahmen komplett außer Acht. Diese werden von K. als »Kollateralschäden« bezeichnet – ein treffender Begriff aus der militärischen Welt. Man kann K. nur zustimmen, wenn er schreibt: »es wurde aus der Übung nichts gelernt« [14].

Im Ergebnis, schreibt K. weiter, droht Krisenmanagement »in einer derartigen Krise zu etwas zu werden, was es nicht sein sollte: ein überwiegend spekulatives Geschäft mit dem Schicksal unseres Gemeinwesens und unserer Bevölkerung.« [15]

Deutlich muss gesagt werden, dass es K. zunächst um die Analyse geht – und keineswegs um die Verbreitung von Schreckensszenarien. Doch seine Vorgesetzten reagieren auf seine Vorschläge offenbar nicht, die er in mehreren Anlagen dem ›Auswertungsbericht‹ beigefügt hat [44], bei Tichy aber nicht einsehbar sind.

›Analyse‹

Die ›Analyse‹, also der erste, gerade einmal acht Seiten umfassende Teil des Dokuments, verfolgt einen ganz anderen Zweck, als der ›Auswertungsbericht‹. Und auch das haben die meisten Medien nicht registriert und die Regierung hat es entweder aus Unfähigkeit oder absichtlich unterlassen, auf diesen Punkt zu verweisen.

Ja, die Analyse beschreibt ein Schreckensszenario. Aber genau das ist der Zweck einer Risikobeschreibung, die sich einer von zwei Seiten widmet. Die Befürworter der maximalen Corona-Abwehrmaßnahmen machen es nicht anders. Sie schrauben die möglichen Todeszahlen so weit wie möglich nach oben. Vergleiche mit der Situation im Zweiten Weltkrieg sprechen Bände.

Die ›Analyse‹ hat einige deutliche Schwächen. Vermutungen werden als Fakten verkauft – so wird ohne Nachweis von »Einschränkungen der Klinikverfügbarkeiten« gesprochen, obwohl bekannt ist, dass viele Kliniken Überkapazitäten vermelden; und dass Operationen trotz leerer Operationssäle nicht durchgeführt werden, darf man wohl ausschließen; der Ton ist durchgehend polemisch, was einer Analyse praktisch immer schadet; und die Rede vom »Fehlalarm« ist angesichts der Sterblichkeitsraten in Ländern wie Italien und Spanien schwerlich überzeugend. Aber sind die Fachleute vom RKI soviel besser ? – Hier wie dort wäre eine sachliche Kritik angemessen und hier und dort auch mal das Eingeständnis, etwas schlichtweg nicht zu wissen.

Statt dessen wird die ›Analyse‹ geradezu bösartig attackiert. Das Ministerium hat K., dem die sie Analyse offenbar zuschreibt, geraten, sich einen Rechtsbeistand zu suchen. Sachliche Reaktion auf Kritik sieht anders aus, insbesondere, nachdem die Ministerien auf den ›Auswertungsbericht‹ nicht reagierten.

Fazit

Die Reaktionen auf das sogenannte ›Corona-Papier‹ zeigen ein Land im Zustand einer tiefen Verstörung. Da, anders als 2015, wohl kaum Absicht hinter dem desaströsen Vorgehen steckt, erweist die Regierung sich in Zeiten der Krise als den Fragen nicht gewachsen. Zuerst wird überhaupt nicht reagiert, dann keine ausgewogene Risikoanalyse durchgeführt, danach Panik verbreitet. Jetzt, wo vieles darauf hindeutet, dass das Schlimmste vorbei ist, dümpelt Merkel entscheidungslos vor sich hin und gibt den Bürgern peinliche Ratschläge, wie sie sich am besten nach dem Essen die Finger waschen.

Zum Risiko verhalten sich die Verantwortlichen im höchsten Maße irrational. In Berlin etwa, gehen die Bürger dicht an dicht gedrängt durch Parks und an Seen spazieren; zugleich wird in den Schulen ein Betrieb durchgeführt, der Sicherheit suggeriert, in Wirklichkeit aber wahrscheinlich ebenso riskant ist wie der Regelbetrieb.

Typisch ist die heiße Diskussion, ob man die Bundesliga wieder eröffnet. Im Ernst: In einem Staat, in dem ein tödliches Virus grassierte, gälte diese Frage als obszön. Da schleicht sich der Eindruck ein, die Corona-Krise ist genauso künstlich erzeugt, wie das andre Modell, mit dem eine satte Gesellschaft sich Spannung verschafft: Die Klimakrise.

Wäre das Corona-Virus in Deutschland tatsächlich das, was die Regierung den Bürgern suggeriert, »wäre es nicht mehr nötig, eine Ausgehsperre zu verhängen. Die Menschen würden von sich aus nicht mehr aus ihrem Haus gehen, wenn um sie herum gestorben wird und jeder falsche Kontakt den Tod innerhalb weniger Tage bedeuten kann.« – »Und der Staat wäre gar nicht mehr in der Lage, Ausgangssperren flächendeckend durchzusetzen« – »u.a. durch höfliche Politessen, die mit erhobenem Zeigefinger Knöllchen verteilen und versuchen, dabei einen ernsthaften Eindruck zu machen. Der Staat hätte in einer gefährlichen Virus-Pandemie mit den verbliebenen Kräften wichtigeres zu tun.« – »Auch von der Arbeit müsste man niemanden abhalten, es würde keiner mehr hingehen, wenn dort möglicherweise der sichere Tod auf ihn wartete. Wer gebraucht wird, etwa weil er für den Betrieb einer Kritischen Infrastruktur benötigt wird, müsste von der Polizei abgeholt werden, weil er sich von seinen Lieben nicht entfernen will.« – »Die Polizei und Militär wären ebenso ausgedünnt, die Sicherheit und Ordnung könnte nicht mehr gewährleistet werden, Kriminalität würde überhandnehmen und, und, und.« – »In einer echten Krise käme wohl auch niemand auf die Idee, beim Bundesverfassungsgericht einklagen zu wollen, dass er in dieser Lage eine politische Demonstration durchführen darf. Eine Meldung in der Zeitung wäre das jedenfalls nicht wert.«

Diese Einschätzung stammt aus dem ›Auswertungsbericht‹. Und sie trifft den Nagel auf den Kopf. Deshalb wird es Zeit, dass die Regierenden sich endlich an die Arbeit machen und eine sachliche Analyse der Schäden ihrer Maßnahmen liefern.

Samstag, 9. Mai 2020
Die Corona-Krise oder Das Ende der Gläubigkeit an die Wissenschaft

Wir wissen nicht, was die Corona-Krise alles bewirken wird. Ihre ökonomischen Folgen werden womöglich dramatisch sein; vielleicht wird sich unser Zusammenleben grundlegend ändern; womöglich wird die Globalisierung nicht mehr ganz so zügellos vorangetrieben. Wie wissen es nicht. Aber eines ist sicher: Der Glaube an die Wissenschaften wird einen kräftigen Dämpfer erhalten.

Seit einiger Jahren versucht Politiker und Politik, die Wissenschaften systematisch für ihre Zwecke zu nutzen. Wann das begann lässt sich schwer sagen. Aber spätestens am Ende der 1960er Jahre kam mit den Fragen nach einem verbesserten Umweltschutz die Bewertung der Auswirkungen technischer Innovationen ins tagespolitische Spiel.

Irgendwann in jenen Jahren begannen Studien Mode zu werden. Heute ergießt sich tagtäglich eine wahre Flut von mehr oder weniger fundierten ›Papern‹ über Medienlandschaft; kaum ein YouTube-Video kommt ohne sie aus. Zuletzt wurde die Klimakrise zu einem Schauplatz, auf dem mit Hilfe von Studien politisches Terrain abgesteckt, angegriffen und für besetzt erklärt wurde. Der Hinweise auf »die Wissenschaften« gehört zum Lamento von Greta Thunberg bis zu ›Fridays for Future‹.

Der Trick basiert auf einem einfachen Schema: Wer Wissenschaft sagt, meint eigentlich Wahrheit. Dabei bleibt es fast durchweg bei einem Hinweis. Thunberg und ihre Anhänger haben zum großen Teil nicht die Spur einer Ahnung von den fachlichen Hintergründen, auf die sie sich bei jeder Gelegenheit so gerne berufen. Sonst wüssten sie, dass eine These, die von 98 Prozent aller Mitglieder einer Forschergruppe mit einer Sicherheit von 50 Prozent unterstützt wird, bestenfalls zu eben 50 Prozent gültig ist – und nicht zu 98 Prozent, wie man zu gern suggeriert. Der Verweis auf Klimastudien ist in den meisten Fällen Geplapper.

Doch dieses Geplapper hat einen Grund. Der Verweis auf die Wissenschaft verspricht Glaubwürdigkeit. Die meisten Zeitgenossen vertrauen den Forschern. Doch dieses Vertrauen hat in den vergangenen Wochen schweren Schaden erlitten. Mit der Corona-Krise zeigte sich: Forscher, Ärzte, Forscher, Virologen, Institutsleiter – sie können sich irren. Beispiele lassen sich Dutzende nennen: Der Nutzen der Masken, die Werte der Infektionszahl R, die Todesursache. Die täglichen Berichte des Robert-Koch-Instituts könnten getrost unter dem Titel ›Monster, Mumien, Mutationen‹ firmieren.

Wenn aber ein Institut im März den Nutzen von Masken bestreitet und keine vier Wochen später die Regierung beim Maskenzwang unterstützt, dann ist etwas faul im Institut; dann beginnen die Bürger zu zweifeln. Sie fragen sich: ›Was denn nun ?‹ – Schon sinkt die Bereitschaft, sich etwas mit dem Hinweis auf die Wissenschaften gefallen zu lassen.

Jetzt auf die Wissenschaften zu schimpfen ist jedoch falsch. Denn hinter dem Hinweis auf Epidemiologen, Ärzte und Virologen steckt Politik; eine Politik, die Forscher missbraucht. Zu keinem Zeitpunkt versuchen Wissenschaftler letzte Wahrheiten zu verkünden. Wer das meint, hat sie nicht verstanden. Sie sind einer Methode verbunden. Und diese Methode basiert im Kern auf dem Recht, ja der Pflicht, alles zuvor Gesagte immer wieder in Frage zu stellen – also geradezu auf dem Gegenteil einer letzten Wahrheit. Wenn also das RKI im März verbreitet, Masken wären nutzlos, dann ist es nicht unwissenschaftlich, vier Wochen später Masken für sinnvoll zu halten, sondern Pflicht – vorausgesetzt neue Erkenntnisse liegen vor. Unwissenschaftlich wäre es, bei der früheren Behauptung zu bleiben.

Das aber genau machen Politik und Medien aus dem, was sie mit Wissenschaft meinen; sie werfen Studien und Statistiken als letztgültig in den politischen Raum. Symptomatisch ist die Angabe von Mittelwerten ohne Streuung. Streuung misst Unsicherheit. Sie wegzulassen zeigt, dass man die Unsicherheit weglassen möchte. Die Folgen sind meistens fatal.

Bei der Klimakrise hatte und hat der Missbrauch der Wissenschaften für politische Zwecke in Deutschland nahezu reibungslos den gewünschten Effekt. Bei der Klimakrise! – Doch in der Coronakrise bricht das alles allmählich zusammen. Auch deshalb reagierte die Merkel-Regierung im März so unglaublich träge. Sie wartete im übertragenen Sinne auf ein unfehlbares Statement aus Rom. Das kam jedoch nicht und falls es kam, war es weder eindeutig noch klar, sondern durchgehend probabilistisch und oftmals mit Widersprüchen gespickt. Erst als die umliegenden europäischen Länder handelten, handelte auch die Bundesregierung.

In diesen Tagen, beim vermeintlichen Ende der Corona-Krise, ist es wieder das Gleiche. Lockerungen oder Nicht-Lockerungen ? – Das ist hier die Frage. Virologen, Epidemiologen und Ärzte helfen nicht weiter, eben weil sie sind, wofür Politik und Bürger sie halten. Die Daten aus Schweden und den Vereinigten Staaten lassen sich deuten; und der israelische Mathematiker, der eine Regelmäßigkeit in den Daten entdeckt haben will, ist auch nur einem halluzinierten Trend aufgesessen.

Wenn diese Zweifel aber bei Corona angebracht sind, dann wird der Bürger auch beim Klima demnächst anders fragen. Der Hinweis auf ›die Wissenschaften‹ reicht dann womöglich nicht mehr, um weitreichende Maßnahmen erzwingen zu können. Das ist gut, denn dann werden die Wissenschaften endlich wieder das, was sie einmal waren. Methoden zur Erweiterung unseres Wissens. Der Zweifel gehörte immer dazu, war grundlegend, machte den Unterschied aus zur Religion. Dass Politiker sie zum Religionsersatz machen hat mit der Coronakrise dann, so kann man nur hoffen, ein Ende.

Mittwoch, 15. April 2020
›Klima-Leugner‹ – Ein grünes Narrativ

Dass das Klima sich momentan ändert, wird nur von sehr wenigen Zeitgenossen bestritten - vorausgesetzt, man hat sich vorher geeinigt, was Klima denn ist. Laut Wiki beschreibt Klima einen Durchschnitt. Genauer: »Klima ist der mit meteorologischen Methoden ermittelte Durchschnitt der dynamischen Prozesse in der Erdatmosphäre«.

Da es sich um einen Durchschnittswert handelt, lässt er sich mit einzelnen Werte zwar ändern – allerdings sollte diese Änderung nicht zu beachtlich ausfallen, da andernfalls der Durchschnitt kein Durchschnitt war. Es ist wie in der Soziologie: Die Tendenz ist entscheidend. Gegenbeispiele haben keine Bedeutung. Es wird praktisch permanent pauschalisiert.

Das so definierte Klima lässt sich nicht leugnen. Man kann die ermittelten Werte bestreiten, man kann die Verfahren anzweifeln, man kann den Sinn der Berechnung in Frage stellen. Aber das Klima an sich ist eine definierte physikalische Größe. Und daher ist die Rede vom ›Klima-Leugner‹ erst einmal Unsinn.

Wer ihn verwendet weist daher stets darauf hin, dass es eine Abkürzung wäre; ein Kürzel für Leute, die meinen, es gäbe momentan keine Veränderung unseres Klimas. Doch wie gesagt, eine Veränderung des Klimas wird nur wenigen Leuten bestritten.

Was relativ viele bestreiten, das sind die Gründe für diesen Wandel. Weiter wird von vielen bestritten, die Änderungen wären außergewöhnlich. Doch gerade sie werden immer wieder als ›Klima-Leugner‹ nicht nur bezeichnet, sondern geradezu denunziert.

Natürlich ist das den so in die Ecke gestellten schon längst aufgefallen. Doch alle Hinweise auf eine korrekte Wortwahl werden mit süffisanten Hinweisen retourniert, es würde sich nur um eine Abkürzung handeln. Jeder wüsste doch, dass man das Klima nicht leugne.

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Die Abkürzung ist eben längst nicht so harmlos, wie von den Denunzianten propagiert. Die Bezeichnung als ›Leugner‹ unterstellt einen Zustand der bewussten Verleugnung – hier die Verleugnung des Klimas. Handelt es sich bei dem verleugneten um etwas reales, wird aus dem Leugner im Handumdrehen einer, der die Realitäten verleugnet. Und schon wartet auf der nächsten Stufe der Vorwurf des Schwachsinns.

Das ist es, wozu das Wort ›Klima-Leugner‹ tatsächlich dient: Der politische Gegner wird als Schwachsinniger dargestellt, der etwas bezweifelt, was nur bezweifelt, wer nicht ganz bei Trost ist. Und da sämtliche Kritiker der alles andere als bewiesenen Behautpung, der Klimawandel sei ein menschliches Werk, ›Klima-Leugner‹ genannt werden können und genannt werden, handelt es sich um ein Wort, das einer Propagandamaschine entstammt.

Denn es dient nicht allein dazu, den politischen Gegner zum Idioten zu stempeln. Es eignet sich zudem in seiner populistischen Schlichtheit bestens im alltäglichen Medienkampf. Wäre jeder gezwungen, ›Leugner des menschengemachten Klimawandels‹ zu sagen, zöge das eine Erläuterung und ein Nachdenken über die Worte hinter sich her. Und womöglich würden dann wenigstens einige merken, dass die Rede vom ›Wissenschaftskonsens‹ gleichfalls ein perfider Trick ist, aus 60 prozentiger Sicherheit ein fast sicher zu erleugnen.

Aber so sind sie, die Narrative, die sich durchgesetzt haben. Sie geben sich als schlicht und selbstverständlich. ›Klima-Leugner‹ ist so ein Wort. Es hat alle Eigenschaften, um es zu einem Klassiker der Sprache des heutigen, Gutdeutschen Reiches zu machen.

Freitag, 14. Februar 2020
Thüringen-Putsch: Lindner kniet vor Merkel, so tief er kann

In einer aktuellen Stunde widmete sich der Bundestag dem Thüringen-Putsch. Dabei zeigt die FDP ihren wahren Charkter.

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Donnerstag, 13. Februar 2020
Dresden, 13.Februar 1945 - Eine Tragödie, die nicht enden will

Eigentlich wurde zu Dresden alles gesagt. Sollte man denken. Doch vor zwei Tagen gelang es der Zeitung Die Welt, den Luftangriff auf Dresden, in einen neuen alten Kontext zu stellen.

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Donnerstag, 9. Januar 2020
Präsident Trumps Stärke ist seine Flexibilität

Für einige Stunden hielt die Welt den Atem an. Kommt es zum offenen Krieg zwischen den USA und dem Iran, fragte sie sich. Die US-Air Force hatte einen der führenden Militärs der Islamischen Republik auf dem Flughafen von Bagdad durch den Einsatz von Drohnen getötet und der Iran schwor Vergeltung. Doch die Rache der Gotteskrieger fiel, vergleicht man sie mit den Ankündigungen, äußerst gemäßigt aus. So gemäßigt, dass Trump stichelte: »Der Iran hat klein beigegeben.«

Die USA werden auf die Raketenangriffe der Iraner nicht reagieren. Denn sie gehen aus dieser militärischen Runde als Sieger hervor. Sie haben den Hauptverantwortlichen für die vielen Stellvertreterkriege, die der Iran im Nahen Osten seit Jahren führt, getötet und dafür mit Schäden an zwei eher unbedeutenden Stückpunkten bezahlt – ein äußerst günstiger Tausch.

Natürlich hätten die Machthaber in Teheran gerne ihren starken Worten Taten folgen lassen. Aber selbst die eingefleischten Hardliner des Mullahregimes wissen um die militärischen Realitäten. Die USA würden im Kriegsfall von Saudi Arabien mit offenen Armen empfangen und könnten von der Gegenküste des Irans aus in wenigen Minuten wichtige Ziele auf iranischem Territorium erreichen. Einen solchen Krieg können die Mullahs nicht wollen. Sie brauchen einen Krieg, wie er im Irak nach dem Einmarsch der Amerikaner geführt worden ist.

Doch genau diesen Krieg wird Präsident Trump sicher nicht führen. Anders als sein Vorvorgänger setzt er nicht auf den Einsatz der Landmacht. Er hat den Spieß, ohne dass es in Westeuropa registriert worden wäre, herumgedreht. Jetzt steht der Iran im Irak und es droht den Soldaten seiner Milizen das Schicksal, dass sie den USA zugedacht hatten. Was auf der Landkarte als strategischer Sieg erscheint, ist in der Wirklichkeit ein tückisches Schlachtfeld. Der Tod von Generalmajor Suleimani ist der klarste Beweis für diesen Wechsel. Im Iran wäre er sicher gewesen; in Bagdad glaubte er sicher zu sein. Doch der Irak ist für iranische Militärs Kampfzone geworden. Sie werden im Norden und in den sunnitisch dominierten Gebieten das gleiche Schicksal erleiden, wie die US-Amerikaner vor einigen Jahren.

Umgekehrt führen die USA nun im Irak einen Krieg, wie ihn der Iran zuvor im Irak geführt hat. Denn Trump ist, anders als die beiden Bushs, kein Mann der großangelegten und angekündigten Militäroperation. Wahrscheinlich wäre Trump auch nach dem 11.September nicht in Afghanistan eingerückt. Er hätte, einer Empfehlung von Michael Wolffsohn entsprechend, einen reinen Luftkrieg geführt. Die Opfer auf amerikanischer Seite wäre ein Bruchteil gewesen. Putin geht in Syrien vergleichbare Wege. Auch er hält die russischen Opfer äußerst gering. Ein zweites Afghanistan kann sich Russland nicht leisten.

Schwer zu sagen, ob Trump diesen Wechsel der Taktik absichtlich vollzog. Vielleicht lautete seine Prämisse, die Opfer auf amerikanischer Seite zu minimieren und die Taktik ergab sich von selber. Zum Pragmatiker Trump würde das passen. Aber in jedem Fall operiert er im Nahen Osten bisher mit deutlich mehr Erfolg als der jüngere Bush – von Obama will ich gar nicht erst reden. Ja, die Russen sitzen in Syrien fest und die Türken führen gerade auf den Spuren Rommels in Libyen Krieg. Aber sie bewegen sich in einem Terrain voller Treibsand.

Der US-Präsident will Amerika wieder zur alten Stärke verhelfen; das hat er keine Minute vergessen. Aber in seinen Mitteln ist er äußerst flexibel. Den machtlosen europäischen Politikern und ihren Medien erscheint Trump konzeptionslos zu handeln. Doch sie haben vergessen: Überraschung ist die erste Pflicht des Militärs. Deshalb sind sie im Irrtum. Für die im links-liberalen Theoriemilieu gezüchtete Politiker und Journalisten ist eine erfolgreiche Politik ohne Strategie gar nicht denkbar. Doch ein Blick in die Militärgeschichte beweist: Die flexible Kriegsführung ist immer die der Sieger gewesen.

Mittwoch, 8. Januar
Steht die SPD iranischen Antisemiten näher als den USA ?

Der Fraktionschef der SPD im Bundestag hat den USA vorgeworfen, mit der Tötung eines iranischen Topterroristen das Völkerrecht gebrochen zu haben.

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2019 Top 2021
* Der Titel "Die Verheerung Europas" bezieht sich auf die Aufzeichnungen von Wilhelm Muehlon aus den ersten Tagen des Ersten Weltkriegs. Muehlon gehört zu den großen deutschen Intellektuellen, die heute praktisch vergessen sind. Sein Kriegstagebuch über den Zweiten Weltkrieg zählt zum besten und spannendsten, was über diese zweite europäische Katastrophe geschrieben wurde: Distanziert, zugleich beteiligt und immer mit einem Blick, den man sich für die heutige Zeit wünscht.
© Wolfgang Hebold
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