Von Slavoj Žižek nichts Neues –
Slavoj Žižek ist ein slowenischer Salonphilosoph, der auf dem abgeernteten Stoppelfeld des abendländischen Denkens blind und links nach letzten Körnern Wahrheit fürs Feuilliton sucht und es sich von dieser Tätigkeit gut gehen läßt. Gelegentlich wartet er mit provokanten Bemerkungen auf und seine Apologie des Stalinismus verdient in der langen Liste kommunistischer Rechtfertigungen für Terror und Massenmord einen besonderen Platz, da er Marx und Heidegger miteinander liierte.
Bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse, die für das Hirn einiger ist, was für den Bauch anderer die Grüne Woche in Berlin, hielt besagter Slavoj Žižek gestern eine Rede zur Auseinandersetzung im Nahen Osten. Nach einer kurzen Einleitung, in der Žižek dienstbeflissen und bereit, den bestialischen Angriff der Hamas auf Israel in Bausch und Bogen verurteilte, kam er zur Sache, um die es ihm wirklich geht – und schon waren die ermordeten Juden kein Thema mehr und auch nicht die Geiseln, die sich momentan noch in in den Händen der Hamas befinden. Es ging dem linken Intellektuelle allein um die leidenden Palästinenser, ihnen galt seine ganz Aufmerksamkeit, weil seine Vorredner sich alle nur zu Israel und den Juden geäußert hätten.
Anschließend präsentierte der Slowene seine Sicht auf den Konflikt im Nahen Osten und die begann mit einer Gleichsetzung von Hamas und Israel, wie sie jeder Neuköllner Hauptschüler mit Migrationshintergrund Arabien auch präsentieren könnte: Beide, Israel und Hamas, beanspruchten das Land zwischen Jordan und Mittelmeer für sich allein. Und die Israelis sitzen halt am längeren Hebel. Deshalb können sie die Palästinenser unterdrücken.
Vielleicht hat Žižek einfach noch nicht realisiert, daß er mit einer solchen Gleichsetzung von Israel und Hamas keine zwei Wochen nach dem schlimmsten Pogrom nach dem Holocaust beim Publikum in Frankfurt nicht ankommen würde – eine Gleichsetzung, die vor einem Jahr durchaus möglich gewesen wäre. Allerdings muß man fürchten, der Redner steht zu dem, was er sagt, weil er zum einen keinen blassen Dunst von den historischen Hintergründen des Konflikts hat und weil er zum anderen zwanghaft provozieren muß. Einen Žižek hört man eben keine einfachen Thesen formulieren, denen jeder Anwesende zustimmen würde. Er will am nächsten Tag in die Presse. Was ihm ohne Frage gelungen ist.
Ein Beispiel für die historische Ahnungslosigkeit. Žižek redet allen Ernstes davon, die Palästinenser hätten keine Perspektive; sie lebten seit Jahrzehnten in einem »Schwebezustand«. Hat der Mann noch nie in ein Geschichtsbuch geblickt und ein paar Zeilen gelesen? Etwa über den Teilungsplan der UN von 1947, der Israelis und Palästinensern einen Teil des Landes zusprach und dem Israel zugestimmt hat? Über die Kriege gegen Israel, an denen sich die Palästinenser noch jedesmal beteiligt haben? Über den Terror, mit dem die Palästinenser seit Jahrzehnten die Juden in Israel überziehen?
Doch, Žižek hat davon gehört. Und er hat auch eine Meinung dazu. Die las sich vor fünf Tagen so: »Eine erste Erwägung betrifft die absolute Verzweiflung, die das Leben der meisten Palästinenser prägt. Man erinnere sich an die Serie unzusammenhängender Selbstmordanschläge in den Straßen Jerusalems vor rund zehn Jahren. Gewöhnliche Palästinenser näherten sich Juden, zogen ein Messer und stachen auf ihre Opfer ein. Sie taten dies im Wissen, nach der Messerattacke sofort getötet zu werden. Diese "terroristischen" Akte vermittelten keine Botschaft, niemand rief "Befreit Palästina!" Auch steckte keine größere Organisation dahinter. Es handelte sich schlichtweg um individuelle Akte gewalttätiger Verzweiflung.« – Ja, um das terroristisch stehen tatsächlich Gänsefüßchen. Juden wahllos zu erstechen, ist für Žižek kein Mord, sondern ein individueller Akt »gewalttätiger Verzweiflung«. Eine bezeichnende Wortwahl, die Mitleid mit dem Täter und nicht mit dem Opfer wecken soll. Soviel zur Distanzierung des Linken Žižek vom Terror.
Um seine Rede authentisch zu gestalten, zitiert Žižek dann lang und breit aus einem Text von 1956. Dumm daran ist nur: Dort wird die Situation der Palästinenser von vor 67 Jahren beschrieben. Jeder Erwachsene aus der damaligen Zeit ist heute im biblischen Alter von wenigstens 87 Jahren. Doch das juckt den Redner nicht, den manche für einen bedeutenden Philosophen halten, weshalb er wahrscheinlich nicht rechnen kann und also nicht weiß, daß heutzutage in Gaza praktisch kein Flüchtling mehr ist, der die Gebiete in Israel kennt. Der Flüchtlingsstatus ist ein Fake der Vereinten Nationen, um eine Heerschar von Mitarbeitern dauerhaft zu unterhalten.
Und unwissend und verlogen geht es weiter: Plötzlich wechselt Žižek ins Westjordanland, weil er Israels politisches Ziel: Land für Frieden diskreditieren will. Und dafür eignet sich Gaza nicht gut, weil Israel den Küstenstreifen bereits vor knapp 20 Jahren an die Bevölkerung übergab. Frieden bekamen die Juden dafür keineswegs, sondern nur ungestörten Terror von der Hamas. Denn die wurde von den Palästinensern 2006 an die Regierung gewählt.
Nach Zwischenrufen aus dem Publikum behauptet Žižek, nichts zu vergleichen. Und das, obwohl er da bereits seit 10 Minuten nichts anderes macht. Selten hat ein Linker und Erklärer palästinensischer Gewalt seinen intellektuellen Bankrott so offen zelebriert. Da retten auch keine wütend und zugleich eitel vorgetragenen Hinweise auf eine Veranstaltung in Ramallah, bei der Walter Benjamin diskutiert worden sei, und die laut Žižek dazu diente, Palästinenser und Israelis zusammenzubringen, indem sie gemeinsam und miteinander philosophieren. Zur Unwissenheit gesellte sich während der Rede bei Žižek also nun auch noch eine ungesunde Portion Naivität. Solche Friedensprojekte gibt es seit langem. Daniel Barenboim versucht sich schon seit Jahren damit – die Anschläge wurden dadurch nicht weniger und auch nicht mehr, denn Leute, die musizieren und diskutieren sind überhaupt nicht die Ursache für die Lage. Aber Eitelkeit und Naivität ergaben für Intellektuelle schon immer das betörende Gemisch, mit dem Weltverbesserer Kalenderblätter ausmalen.
Nach und nach kommt Žižek zum eigentlichen Thema seiner Rede: Die politische Rechte in Europa und Israel. In ihr sieht der Stalinist die eigentliche Wurzel des Übels. Und während er auf die gewählte israelische Regierung eindrischt, eröffnet der slowenische Wortverdreher eine Gleichsetzung Israels nicht nur mit der Hamas, sondern der Nazis mit den Juden in Israel. Schließlich hätten führende Antisemiten wie Heydrich und Eichmann, den er allerdings nicht namentlich nennt, ebenfalls für eine Besiedlung Palästinas durch die Juden plädiert. Zionismus und Nationalsozialismus sind, folgt man den wirren Ausführungen Žižek, Brüder im Geiste ihrer Ziele.
Und um das Faß voll zu machen, bringt Žižek gegen Ende seiner Rede auch noch einen Juden ins Spiel, der nicht nach Israel ausgewandert ist, sondern in Polen blieb: Marek Edelmann. – Immer finden Antisemiten einen Juden, denen sie ihren Antisemitismus in den Mund legen können! – Edelmann wird von Žižek als Lichtgestalt beschrieben, weil er Verständnis für die Sache der Palästinenser gezeigt hat und fragt rhetorisch, was Edelmann wohl heute gesagt haben würde?
Hier ist nicht nur die Frechheit von Žižek, sich mit Edelmann auf eine Stufe zu stellen, bemerkenswert. Das Bild ist überdies schlicht und ergreifend falsch, weil nicht wirklich bis zum Ende durchdacht. Wenn überhaupt, dann müßte Žižek fragen, was wir zu Edelmann sagten, wenn er kurz nach dem Bekanntwerden der Verbrechen in Auschwitz, sagen wir Mitte 1943, um Verständnis für die Schergen der SS und die Deutschen geworben hätte? Und wenn er sich gegen die Fortführung des Krieges gegen Hitlerdeutschland ausgesprochen hätte? Weil der Krieg eine kollektive Bestrafung der Deutschen war. Und der Holocaust eine Tragödie für Juden und Deutsche. Denn genau das legt Žižek nahe: Israel habe kein Recht, gegen Palästinenser Krieg zu führen. Und das Ganze sei eine Tragödie. Während es in Wahrheit nur der Versuch der Palästinenser ist, mit Unterstützung des Iran, Israel zu vernichten. Aber davon will Slavoj Žižek, warum auch immer, nichts wissen.
Bliebe zu fragen: Durfte die Leitung der Buchmesse die Rede zulassen? – Aber natürlich! In einem Land, in dem Antisemitismus sich ungestört ausbreiten und in Berlin-Neukölln mehr oder weniger ungestört gezeigt werden darf, kann es nicht schaden, wenn einem überwiegend linken Publikum originalverpackt der intellektuelle Schund präsentiert wird, den es seit weit über einem halben Jahrhundert systematisch verbreitet. Denn wie gesagt: Noch vor einem Jahre wäre der Höhepunkt des Tages gewesen. Die anwesende Claudia Roth hätte feuchte Augen bekommen. Und am nächsten Tag hätten links-liberale Blätter das Verständnis für die Leiden des palästinensischen Volks gelobt. Vergessen wir nicht: Die wegen ihres Antisemitismus in die Kritik geratene Autorin Adania Shibli wurde jetzt ausgeladen, war aber noch vor kurzem eine ehrwürdige Preisträgerin, ohne daß sich an ihren Texten auch nur eine Zeile geändert hat. War die Macher der Buchmesse vor einigen Tagen etwa antisemitisch?
Der Antisemitismus insbesondere der politischen Linken ist ein Teil Deutschlands. Das war vorgestern so und gestern und ist es noch heute. Und daran wird sich auch in Zukunft wohl nicht viel ändern.
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Überrasche mich! –
Wer wissen will, wie viel Leben in einer Liebe noch steckt, muß sich nur nach einem Geschenk für die Geliebte befragen. Denn Geschenke bedeuten Überraschung im Bestehenden und eine Liebe ist tot, wenn sie nichts Neues gebiert. Und so auch im politischen Leben.
Israel ist es in den vergangenen zwei Wochen vor Gaza gelungen, eine neue Strategie im Umgang mit den Mörderbanden der Hamas und den Reaktionen der arabischen und der westlichen Welt auf die fortgesetzten Massaker zu finden, die dem israelischen Militär die Möglichkeit gibt, den Stachel in seinem Rücken zu entfernen. Nach dem Überraschungsangriff der Hamas retournieren sie mit einem einfachen Mittel: Quid pro quo. Für jedes Bild von einem getöteten Palästinenser wird ein Video vom Babymord der Hamas in Umlauf gebracht. Und die Geiseln, von denen die Terroristen sicher glaubten, sie würden die israelischen Streitkräfte in eine Zwickmühle bringen, erweisen sich als böse Rohrkrepierer, wenn die Formulierung im Zusammenhang mit Geiseln erlaubt ist. Man schafft keine Sympathien, wenn man Frauen und Kinder aus einem westlichen Land entführt, sie mit einem öffentlichen, gewaltsamen Tod bedroht und irgendwann auch ermordet. Das müssen die Schergen des Teheraner Regimes in den Trümmern ihrer Unterkünfte langsam erkennen. Nun wissen sie nur noch nicht, wie man sie medienwirksam wieder los wird.
Und zu allem Überfluß greifen die Panzer der IDF, der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte, nicht einmal an. Sie warten ab und die Islamisten schmoren im eigenen Saft. Von ihren menschlichen Schutzschilden getrennt, schießen sie zwar noch immer Raketen auf israelische Städte – aber lebend verlassen sie Gaza wohl kaum noch. Oder sie müssen bedingungslos kapitulieren und ihre Hamas und damit die zweite Front des Iran gegen Israel hat sich erledigt.
Aus reiner Verzweiflung hat die Mörderbande gestern ein Krankenhaus in Gaza beschossen. Sie muß Bilder mit Toten, also Tote erzeugen, die sie auf ihre Seite der Blutwaage legen kann. Um nichts anderes geht es. Ein griffiges Wort für die Öffentlichkeit mußte deshalb her. Und schon schwadroniert Herr Abbas vom »Krankenhaus-Massaker«. Nur überrascht diese Taktik wirklich niemanden mehr. Sie überzeugt im Westen folgerichtig lediglich ewiggestrige linke Antisemiten. Allerdings kann der jordanische König seinen instinktiven Widerwillen, die aus Gaza geflüchteten Palästinenser bei sich aufzunehmen, mit einem Statement kaschieren, das großspurig die Absage von Gesprächen begründet. Da laufen noch die alten Mechanismen in ihrem Trott politischer Trägheit, während die arabischen Staaten längst Verbindungen zu Israel knüpfen, denen die Zukunft ohne Hamas und Hisbollah gehört.
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