Wolfgang Hebold

Die Verheerung Europas *

Ein Tagebuch des Niedergangs
Sonntag, 19.Dezember 2021
Die Pandemie der Superspreader

Es gehört zu den seltsamen Merkmalen aller falschen Entscheidungen einer Regierung, dass die Fakten für jeden, der auch nur einigermaßen bei Sinnen ist, bekannt sind. Nur werden sie beharrlich ignoriert. Die amerikanische Historiker Barbara Tuchmann spricht daher vom »Marsch der Toren«, der schließlich sogar in ihrem eigenen Untergang endet.

Dieses Phänomen begleitet die Corona-Pandemie seit ihren ersten Tagen im März 2020. Fortwährend werden wesentliche Daten nicht erhoben und entscheidende Maßnahmen nicht ergriffen; ganze Bereiche der Realität bleiben ausgeblendet. Politik und sogenannte Experten taumeln förmlich durch die Monate und wirken, wenn das Infektionsgeschehen mal wieder anzieht, wie der sprichwörtliche aufgescheuchte Hühnerhaufen wenn der Fuchs vor dem Stall steht. Die Suche nach passenden Metaphern wird wichtiger als die Suche nach richtigen Mitteln. Vernunft wird durch Narrative ersetzt.

Einer dieser über weite Strecken der letzten 20 Monate gänzlich ignorierten Aspekte des Infektionsgeschehens ist der Superspreader-Event. Von ihm wurde zwar immer mal wieder berichtet, wenn etwa nach einem Besuch auf einer Skihütte alle auf ihren Brettern mit Corona ins Tal zurück fuhren. Doch seit Wochen ist dieser Superspreader aus den Nachrichtenspalten verschwunden. Und dabei liefert er womöglich eine Erklärung für das Paradox dieses Herbstes: Dass die Inzidenzen höher sind als vor einem Jahr, obgleich die Zahl der Geimpften und Genesenen deutlich erhöht ist.

Paradox? – Sicher! Paradox. Denn dass Impfungen keinerlei Schutz vor einer Infektionen bieten würden, ist sicher nicht richtig. Sie bieten Schutz und das für etwa jeden zweiten Bürger des Landes. Daher müsste die Zahl der Neuinfektionen in jedem Fall deutlich unter den Werten liegen, die vor 12 Monaten erreicht worden sind – was sie aber nicht tun.

Die entscheidende Frage lautet daher: Wie gut ist der Schutz durch eine Impfung? – Sicher ist er nicht näherungsweise so hoch, wie Pharmaindustrie, Politik und Medien dem Bürger zunächst vorzugaukeln versuchten, was diverse Treffen von ausnahmslos Geimpften beweisen, die nach dem Treffen allesamt Corona-positiv waren. Und ebenso sicher ist er nicht hoch genug, was der Zwang zur Booster-Impfung beweist. Doch danach ist er höher. Und was, wenn der Impfschutz niemals den Grad erreicht, der zur Abwehr der Superspreader notwendig ist?

Superspreader oder auch Superspreader-Event – das ist jenes, man muss es wohl so sagen: Fabelwesen, das die Epidemiologen in die Verzweiflung treiben kann. Wahrscheinlich unterscheiden sie deshalb nicht zwischen dem Spreader und dem Event, dem Verbreiter und dem Ereignis.

Dieser Superspreader ist schnell definiert: Er ist ein Infizierter, der weit mehr Personen infiziert als ein Infizierter im Durchschnitt infiziert, solange er infektiös ist. In Zahlen: Eigentlich sollten 20 Prozent aller Infizierten für etwa 20 Prozent aller Infektionen die Ursache sein. Indes bewirken 20 Prozent Superspreader typischerweise 80 Prozent aller Infektionen. Mit anderen Worten: Ein Superspreader ist viermal so ansteckend wie die anderen Infizierten. Extremere Verhältnisse sind denkbar. Ein Superspreader-Event ist schließlich jenes Ereignis, bei dem einige wenige, oder überhaupt nur ein einziger Infizierter ganz Gruppen im Alleingang angesteckt hat.

Hinter dieser schlichten Definition verbirgt sich ein Abgrund. Andere würden sagen, den Superspreader umgibt ein epidemiologischer Schleier. Wird nämlich eine Pandemie durch Superspreader getrieben, sind die meisten Modelle zur Beschreibung einer Pandemie das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. So basiert die kürzlich erschienene Studie einiger Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität auf der Annahme einer mit linearen mathematischen Methoden beschreibbaren Ausbreitung der Infektion durch Corona. Eine Annahme, die falsch wird, sobald Superspreader im Spiel sind. Die Forscher müssten ihre schlichte Matrizenrechnung durch ein komplexes System von Differentialgleichungen ersetzen – womöglich ein System ohne Lösung. Ja, so etwas gibt es auch in der Mathematik. Weshalb man dann ja Matrizenrechnung verwendet, damit überhaupt etwas Zeigbares rauskommt. Über dessen Wahrheitsgehalt kann man dann aber streiten.

Auch die Berechnung der Reproduktionszahl R, der durchschnittlichen Zahl von Infektionen pro Infizierten, mit der das Robert-Koch-Institut seit Monaten wissenschaftlich Schindluder treibt, wird durch Superspreader zur Farce. Wie die Definition ja schon sagt: Für R wird die durchschnittliche Zahl von Infektionen bestimmt. Ein solcher Wert macht jedoch wenig Sinn, wenn das Infektionsgeschehen von den Ausnahmefällen beherrscht wird.

Nun ist es durchaus nicht so, dass die Epidemiologen davon nicht wüssten. Sie kennen die inhärenten Schwächen von R und haben der Reproduktionszahl einen weiteren Wert beigegeben: Den Dispersionsfaktor Kappa bzw. κ, auch Überdispersion genannt. Der Dispersionsfaktor κ misst die Streuung, d.h. er bestimmt, wie ungenau R eigentlich ist. Im Grunde müsste er immer mit dem Wert von R zusammen erscheinen, denn ein Durchschnittswert ohne Streuung ist wie ein Medikament ohne den Beipackzettel, auf dem die Nebenwirkungen aufgezählt sind und es spricht Bände über das RKI und die Qualitätsmedien Deutschlands, dass R praktisch niemals gemeinsam mit κ veröffentlicht wird.

Der Dispersionsfaktor κ misst, grob gesagt, wie viele infizierte Personen bei der Weiterverbreitung des Krankheitserregers nicht genau dem Durchschnitt entsprechen, also von R abweichende Werte erreichen. Die könnten niedriger sein, aber im Fall von Superspreadern liegen sie deutlich darüber. Die Werte von κ sind ihrerseits 0 oder größer. Doch anders als bei der gewöhnlichen Streuung, die 0 ist, wenn keinerlei Streuung vorliegt, signalisieren größere Werte beim Dispersionsfaktor κ weniger Abweichung vom Durchschnittswert R. Bei κ = 0 würde ein Infizierter den Großteil aller Infektionen bewirken.

Für eine saisonale Grippe wird von Epidemiologen ein Wert von 1,0 angenommen; für die Spanische Grippe am Ende des Ersten Weltkriegs ebenfalls 1,0. Bei Corona liegt der Wert von κ zwischen 0,1 und 0,6. Man weiß es bisher nicht genauer. Falls κ bei 0,45 liegt, dann gilt das beschriebene 20:80 Verhältnis; im Falle von 0,1 würden 10 Prozent Infizierte 80 Prozent aller Infektionen bewirken. So oder so: Es sind nicht die Geimpften und auch nicht die Ungeimpften; es sind die Superspreader. Sie sind die Treiber der Pandemie.

Und es kommt noch schlimmer: Nicht nur der Dispersionsfaktor, auch die vermutliche Verteilung der Infektionen mit ihren, im Statistik-Jargon gesprochen, »fetten Enden«, verweist auf eine Superspreaderepidemie. Ohne auf die statistischen Details einzugehen lässt sich zusammenfassend sagen: Die Epidemie ist hochgradig stochastisch bei hoher Prävalenz. Zu deutsch: Zufällige aber nicht selten auftretende Extremwerte bestimmen das Geschehen.

Das alles interessiert den vermeintlichen Fachmann Karl Lauterbach nicht und dass das Robert-Koch-Institut den Dispersionsfaktor κ meines Wissens nach nicht erhebt, wird kaum jemanden wundern. Dieser Politiker und diese Einrichtung sind ja Teil des Problems. Dort werden genau die falschen Entscheidungen ausgebrütet, die dafür sorgen, dass die Pandemie nicht enden will.

Denn was passiert, wenn die Superspreader mit ihrer besonders hohen Virenlast durch die Einkaufszentren spazieren? Wenn es sie unter Geimpften und Ungeimpften in ähnlicher Zahl gibt? Wenn eine Impfung die Virenlast der Superspreader nur relativ geringfügig senkt?

Dann ist klar, dass noch so viele Impfungen nichts nutzen werden. Immer bleiben die Superspreader präsent, überwinden den Impfschutz und verbreiten das Virus. Nur dass sie nicht mehr nur 80 Prozent, sondern fast alle Infektionen bewirken und das sowohl unter Ungeimpften wie Geimpften. Die Infizierten, die vor einem Jahr noch für 20 Prozent der Infektionen bewirkten, wurden durch die Impfung zwar neutralisiert. Nur spielten sie auch schon vorher keine entscheidende Rolle. Jetzt, wo sie keine mehr spielen, hat sich wenig geändert.

Weiter wird klar, warum insbesondere Deutschland so hilflos agiert gegen Corona und nur deshalb keine Verhältnisse wie in Italien im März 2020 herrschen, weil das Gesundheitssystem, obgleich kräftig eingespart wurde, noch immer im Kernbereich intakt genannt werden kann. Doch gegen die Superspreader hilft auf Dauer nur ein Mittel: Die konsequente Nachverfolgung der Infektionsketten. Dazu aber war Deutschland schon im März 2020 nicht in der Lage und geändert hat sich seither ebenfalls nichts. Man schwadroniert statt dessen über »Wellenbrecher« und »Booster«, über »Klein-O«-Varianten und »Bundesnotbremsen«. Man beraubt Ungeimpfte ihrer Grundrechte und hetzt rund um die Uhr gegen Kritiker der aktuellen Methoden.

Sind aber Superspreader die Treiber der Pandemie, dann schützt die Impfung wirklich nur vor schweren Verläufen; einen Schutz vor Infektionen bietet sie nicht. Weder für Geimpfte und Ungeimpfte. Das macht die Impfung ganz sicher nicht generell sinnlos. Die Älteren und Alten sollten sie auf Wunsch erhalten. Aber bei Kindern ist die Impfung nichts weiter als ein medizinisches Großexperiment, wie es noch niemals durchgeführt worden ist.

Für die anderen, die sich nicht impfen lassen, ist es ein Risiko, das man im Leben eingehen kann aber nicht eingehen muss. Andere laufen Ski oder sie rauchen, wieder andere fahren Auto durch enge Alleen. Die Liste ist lang und sie ist ein Teil unseres Lebens. Und es die Entscheidung jedes einzelnen Bürgers, auf welchen Eintrag der Liste er sein Leben verwettet. Kein Politiker, schon gar kein Politiker in Panik hat ein Recht, dem Bürger hier eine Vorschrift zu machen. Wir brauchen Bürger, die für eine aufmerksame Nachverfolgung der Infektionsketten wach sind. Was wir nicht brauchen können, sind jene wenigen, die der Mehrheit ihre Regeln aufzwingen wollen. Das nennt man Oligarchie und im Extremfall Diktatur. In ihnen herrschen die Superspreader der Politik über alle anderen Bürger.

Sonntag, 12.Dezember 2021
Außenministerin Baerbock – eine gefährliche, von Ehrgeiz zerfressene Hochstaplerin Vielleicht weiß Frau Baerbock wirklich nicht, wo das Oderbruch liegt. Aber sicher hat sie keine Ahnung, was Peking und Moskau in der Geschichte bedeuten. Anders ist schwer zu erklären, dass diese Ministerin mit einem Geschäftsbereich keine drei Tage nach der Amtsübernahme bereits Richtung Osten ausgeteilt hat. Zum einen völlig unnötig gegen Rot-China und zum anderen gegen das Russische Reich, das mit einem Truppenaufmarsch an seiner Grenze zur Ukraine womöglich nur die neue Regierung in Berlin nervös machen und austesten will; was ihr volltreffend gelungen ist.

Frau Baerbock kümmert das nicht. Sie geht Präsident Putin auf den Leim und begeht, ebenfalls in nicht einmal drei Tagen, den schlimmsten Fehler, den ein Außenpolitiker begehen kann: Sie spielt mit offenen Karten. Sie weiß nichts von Diplomatie und der hehren, auf Bismarck zurückgehende Maxime: Staaten haben keine Freunde, nur Interessen. Nicht einmal die USA und England haben in ihrer größten gemeinsamen Not, im Winter 1942 während Japan durch Südostasien marschierte, mit offenen Karten gespielt. London und Washington spionierten sich aus, derweil ihre höchsten Politiker die Allianz um Wohle des Westens formierten. Aber lassen wir das, vom angelsächsischen Westen weiß Frau Baerbock ebenfalls nichts. Da helfen auch keine zwei Semester Völkerrecht in der britischen Hauptstadt.

Mit offene Karten spielen, heißt hier und heute: Frau Baerbock glaubt, Stärke zeigen zu müssen wie einstens der Kaiser des Zweiten Deutschen Reichs in schimmernder Wehr. Auch er hat gedroht und sehnte sich nach der Macht. Er war von etwas getrieben, das auch Frau Baerbock umtreibt: Persönlicher Ehrgeiz. Und der tritt bei ihr in einer Weise hervor, die anders ist, als bei den Kollegen aus ihrer grünen Partei.

Annalena Baerbock gehört nicht zur Generation der Alt-Maoisten wie Winfried Kretschmann oder Jürgen Trittin, die, nachdem sie mit ihren Jugendträumen einer roten Weltrevolution gescheitert waren, einen kleineren Gang eingelegt haben und sich in der badischen Provinz als Ministerpräsident versuchen oder als Dosenminister a.D. aufgehübscht in Talk-Shows ältere Damen verzücken. Sie gehört nicht zur Umweltbewegung. Und sie ist auch keine gescheiterte Frau wie Claudia Roth und Renate Künast, hat zwei Kinder und einen Mann.

Nein, Frau Baerbock ist ein Parteikader, wie er im Buche steht. Gleich nach ihrem Studium nahm sie den ersten Abzweig in die Politik, vielleicht weil ihr eine schlecht dotierte, belanglose aber hart umkämpfte Assistentenstelle an einer deutschen Provinzhochschule nicht ausgereicht hätte. Anschließend gings über den Landesverband der Grünen in Brandenburg an die Spitze der Grünen und von dort an die Spitze der Vertretung von Deutschland nach außen. Der Frau mag ideologische Tiefe fehlen, ja dieser Mangel zeichnet sie geradezu aus und unterscheidet sie von ihren Kollegen. Trittin oder Künast hätten keine Plagiate in einem Buch über die Politik der Grünen gebraucht; sie haben die üblichen ideologischen Worthülsen in ganzer Breite parat, die Baerbock erst aus anderen Büchern und Texten einsammeln musste.

Aber sie hat es gemacht. Und sie hat es, wenn auch nicht sonderlich intelligent, so doch mit großen Energien gemacht. Denn selbst wenn sie immer wieder durch Oberflächlichkeit auffällt – der Ernst ihres Strebens nach oben lässt sich schwerlich bestreiten, also das, was oben persönlicher Ehrgeiz genannt worden.

Nun scheint Ehrgeiz erstmal nicht unbedingt etwas schlechtes zu sein. Man könnte es mit einem allgemeinen Streben verbinden; konkreter mit dem Streben nach Ehre. Wäre da nicht der irritierende Geiz, der den Glanz der Ehre eintrübt. Geiz mag ja geil sein, aber zur Ehre gereicht er sicherlich nicht. Denn Geiz ist, anders als das erste Verständnis vermuten lässt, nicht auf das Halten von Erreichten erpicht, sondern auf das Horten von Mehr. Geiz heißt Gier und Ehrgeiz gierig sein auf Anerkennung und Achtung.

Mehr noch: Ehrgeiz strebt immer nach mehr als was bei Lichte betrachtet erreichbar ist. Ehrgeizige vermitteln daher immer den Eindruck, sie wollten mehr sein als sie sind. Sie leben über ihre Verhältnisse, sei es nun materiell oder intellektuell – siehe Frau Baerbock und ihr hochstaplerischer Lebenslauf, ihr mit Plagiaten gestrecktes Buch oder ihr Auftreten in ständig neuen Kleidern als sei sie die Queen.

Bis zur vergangenen Woche war dieser krankhafte Ehrgeiz von Frau Baerbock das Problem ihrer Partei; dann wurde sie mit dem Posten des Außenministers als Ersatz für die entgangenen Kanzlerwürden entschädigt. Und sofort begann sie gierig nach Geltung zu streben. Noch nicht im Amt, drosch sie los Richtung Rot-China. Sicher, die scharfe Kritik an Rot-China ist richtig. Aber ihr Lospreschen hinterließ den Eindruck eines übermotivierten Anfängers, den man zur Raison bringen muss. Eine Aufgabe, der sich der polnische Außenminister wenige Tage darauf, es sei dahingestellt ob genüsslich oder genervt, auch annahm. Wie ein Schulmädchen wurde die deutsche Außenministerin in Warschau an die Modalitäten im diplomatischen Umgang erinnert.

Mir ist kein Fall eines Außenpolitikers Deutschlands bekannt, bei dem persönlicher Ehrgeiz und Realitätssinn so weit auseinanderklafften, wie bei Annalena Baerbock. Zwar litt Heiko Maas unter seiner offenkundigen Belanglosigkeit. Er war medial so wenig präsent, dass nicht einmal der in Deutschland schlimmste politische Vorwurf – Antisemitismus zu fördern –, ihn in die Schlagzeilen der Nachrichten brachte oder laute Forderungen nach einem Rücktritt erfolgten. Aber er nahm es mit dem dumpfen Gesichtsausdruck des Gescheiterten an.

Annalena Baerbock steht der Ehrgeiz dagegen frisch im Gesicht. Ihre Worte finden kaum einen Weg durch die verkniffenen, aufgeplusterten Backen in die Öffentlichkeit. Erklärt das ihre dauernd angestrengt wirkende, Stimme, die zwar zu ihrem kindischen Gestus passt, aber eben nicht zu einer Mutter von Anfang vierzig? Mir wurde von einer Gesangslehrerin erläutert, diese Art Plärrstimme wäre ein Zeichen für eben das: Eine ausgewachsene Unreife, die sich auch im Alter nicht mehr verliert. Dann wäre Frau Baerbock eine Art Kind-Frau, eine Lolita im Krebsgang. Und natürlich hätte sie etwas von Kaiser Wilhelm, der seine Schlachtkreuzer und Schlachtschiffe behandelte wie ein Junge sein Spielzeug.

Doch Ehrgeiz und Außenpolitik gehen schlecht zusammen. Im Außenamt eines Landes ist Bescheidenheit Pflicht. Das machte den ehemaligen Außenminister der USA Henry Kissinger immer verdächtig. Man merkte ihm an, dass er nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern immer auch sicher selber vertrat, indem er Ratschläge gab. Ziemlich sicher peilte er zu keinen Zeitpunkt einen Einzug ins Oval Office an. Er blieb immer Berater und schrieb mehr als ein Buch vermutlich ohne geklaute Zitate. Kissingers Gegenüber bei den Friedensverhandlungen, die zum Ende des Dritten Vietnamkriegs führten, der Vietnamese Le Duc Tho war dagegen ein Außenpolitiker par exellance. Er blieb im Hintergrund, hatte Außenpolitik also verstanden und lehnte die Annahme des zur Belohnung für den Friedensvertrag verteilten Nobelpreises ab. Und soviel ist sicher: Annalena Baerbock könnte so wenig Nein sagen wie Henry Kissinger oder ein Barak Obama. Aber wer könnte das schon, ohne nicht, wie Jean-Paul Sartre, aus der Nicht-Annahme schon wieder die Show eines Egomanen zu machen?

Annalena Baerbock hat also genaugenommen den falschen Posten ergattert. Falsch im doppelten Sinne – er erfüllt nicht ihren Ehrgeiz und sie ist für Deutschland gefährlich. Denn auf diesem Posten kann sie in einem Land, dass nicht irgendwo Krieg führt und dessen Außenpolitik ohnehin durch die selbstbeschränkende Einbindung in die Strukturen der Europäischen Gemeinschaft äußerst eingeengt ist, nur etwas werden, wenn sie auf dem diplomatischen Parkett zu provozieren versteht, also nach außen. Auch bei ihren Antrittsbesuchen in Paris und Warschau hat sie sich bereits darin mehr oder weniger vergeblich versucht. Zuvor hatte sie schon Richtung Peking und Moskau einen ungewöhnlichen Tonfall gewählt. Man muss fürchten, sie wird auch in Zukunft ihren Wortwahl nicht ändern.

Also bleibt nur noch die Frage nach den Mitteln, über die sie verfügt, um als Außenministerin zu provozieren? Denn aller Ehrgeiz und den Schaden, den er anrichten kann, richtete sich nach den Mitteln, über die der von Ehrgeiz geplagte verfügt. Und soviel ist sicher: Militärische Mittel sind es nicht. Deutschland verfügt über keine nennenswerte militärische Macht. Ohne die US-Amerikaner im Rücken könnte Berlin seine Beamten schon einmal zum Russischkurs schicken, um eine spitze Bemerkung Donald Trumps Richtung Paris zu zitieren, mit der der ehemalige US-Präsident auf ganz und gar undiplomatische Weise den Franzosen ihren freundschaftlichen Umgang mit den deutschen Besatzern zwischen 1940 und 1945 in Erinnerung rief. Diese militärische Schwäche Deutschlands, könnte man denken, hat auch ihr gutes. Wilhelm II, der drohen konnte, trieb der Ehrgeiz in einen Krieg, den er mit seinen Untertanen vier lange Jahre lang führte bis sie ihn schließlich verloren.

Wenngleich Ministerin Annalena Baerbock und ihr Klientel kaum bereit sind, zur Waffe zu greifen – der Wille zur Macht ist ihnen nicht fremd. Soviel Ehrgeiz steckt in praktisch jedem von ihnen. Für einen Maoisten ist das klar; und wer Claudia Roth als Präsidentin des Bundestages erlebte, weiß was ich meine. Also bleibt nur die letzte Deutschland verbliebene Macht, seine Wirtschaft. Und hier sieht Annalena Baerbock Deutschland als Weltmacht. Sie würde das niemals so sagen. Sie schwadroniert von einer Verantwortung Deutschlands für die Welt. Aber wenn eine Politikerin einer Partei, die ernsthaft meint, Deutschland würde das Weltklima retten, eben diese Klimapolitik für die richtige hält und auf welchen Wegen auch immer anderen Ländern aufzwingen will, dann leidet sie an einer ungesunden Selbstüberschätzung. Frau Baerbock meint, Deutschland wäre noch immer wirtschaftlich hochgradig wichtig.

Daher wird sie die vermeintliche Waffe Wirtschaft gegen Russland einsetzen wollen. Das passte ja auch. Hört Deutschland als Reaktion auf einen Angriff Moskaus gegen Kiew auf, sich Gas aus Russland liefern zu lassen, dann würde die Energiewende, dieses Herzstück grüner Innenpolitik, noch einmal vorangetrieben. Ohne Gaslieferungen aus Russland gehen die Lichter auf dem Prenzlauer Berg schneller aus, als den woken Pädagogen und Psychologen, Intellektuellen und Migrantenberatern lieb sein kann. Der Ruf nach noch mehr Sonnen- und Windenergie würde noch lauter erschallen. Der letzte Rest Freifläche Deutschlands würde mit Windrädern zugestellt werden.

Das Dumme an dieser Politik des ökonomischen Drucks: Sie basiert auf der falschen Annahme, sie würde Moskau zum Einlenken bringen. Immer wenden wir ja die Druckmittel, die bei uns selbst wirken würden. Und wirtschaftlicher Druck hat Deutschland 1918 und 1923 in die Knie gezwungen und würde heute noch schneller wirken. Nur eben nicht gegen Russland. Nicht nur, weil Putin für das russische Gas auch andere Abnehmer findet. Sondern weil Russland aus Prinzip nicht nachgeben kann.

Das aber macht eine ökonomische Drohkulisse brandgefährlich. Dem Kreml sind nach dem Beginn eines ökonomischen Krieges nicht mehr die Hände gebunden, diesen erklärten Krieg militärisch zu eskalieren. Auf einen Schlag ist nicht nur die Ukraine gefährdet; auch die baltischen Staaten, Polen und Südosteuropa laufen Gefahr, Objekte russischer, imperialer Ziele zu werden. Und dem hat Westeuropa, insbesondere aber Deutschland, nichts aber auch gar nichts entgegenzusetzen.

Hier schließt sich der Kreis. Denn es war die an den ideologischen Zielen der Grünen orientierte sogenannte Friedenspolitik, die zur totalen Abrüstung führte, um soziale Geschenke bezahlen und in Deutschland an alle Welt verteilen zu können. Weit über die Hälfte der Steuergelder werden für Soziales vergeudet. Zur Landesverteidigung bleibt da nicht mehr viel. Der traurige Zustand der Truppen spricht Bände. Beides geht eben nicht, weil man, wie ein altes Sprichwort sagt, die Mark nicht zweimal ausgeben kann.

Damit aber wird Deutschland automatisch zum Ziel. Es ist der Reiche, der durch den Wald reist, allein und mit einem Beutel voll klingender Münze. Auch andere sind von Ehrgeiz getrieben. Und Außenministerin Baerbock provoziert sie, ohne die Mittel zu haben, sich wehren zu können, wenn die Räuber es ernst meinen werden.

Annalena Baerbock ist von Ehrgeiz getrieben und zugleich weiß sie nicht, dass Ehrgeiz in der Staatenwelt allein nicht genügt. Woher auch? Innerhalb einer Partei, in einer Demokratie – da kann man mit bescheidenem eigenen Können was werden, wie Annalena Baerbock beweist. Hier zählt nur die Mehrheit; heute genügt sogar eine Quote, wie Annalena Baerbock gleichfalls beweist. Und selbst wenn man den vielen kleinen Betrügereien erwischt worden ist, darf man im Deutschland des Jahres 2021 noch immer für das Kanzleramt kandidieren. Die Kritiker wurden oftmals gescholten, denn für Frauen und andere Gruppen mit Sonderrechten gilt in der medialen Öffentlichkeit eine Schonfrist, die dann eine Annalena Baerbock bis ins Außenamt spült.

Aber im Gegeneinander der Staaten zählen weder Quote noch anderer mehr oder weniger gut begründeter ideologischer Unfug. Hier gibt es keine Schonfrist und der Schaden bleibt nicht auf einen digitalen Shitstorm beschränkt – hier fallen im schlimmsten Fall Bomben; hier zählt nur, was ein Staat kann und was er nicht kann. Und Deutschland kann vielleicht für eine Weile auf das Gas aus Russland verzichten; verteidigen gegen Russland kann es sich nicht.

Also wäre es klüger gewesen, das Reich im Osten nicht zu provozieren. Doch Klugheit ist nun wirklich das Letzte, was man Frau Baerbock nachsagen kann. Sie ist gerade Außenminister geworden und wer denkt, sie wäre damit zufrieden, hat wie der Fischer diese Frau nicht verstanden. Sie will mit Sicherheit immer noch Kanzlerin werden.

Sonntag, 5.Dezember 2021
Atomwaffen für die Ukraine ? – Ja bitte!

Die vergangenen einhundert Jahre Osteuropas sind geprägt von russischen, imperialen Wünschen und Träumen. Viele davon sind 1989 zerplatzt. Aber wie das mit Wünschen so ist; sie haben ein langes Leben.

Jeder Traum Russland wurde zum Albtraum seiner Nachbarn. Der Überfall auf Polen 1939, die Einverleibung der baltischen Staaten wenig später, der Überfall auf Finnland im Winter 1940, das zynische Vernichten-Lassen der Polnischen Heimatarmee im August 1944, der Einmarsch in Ungarn 1956 und in die Tschechoslowakei 1968 – die List ist lang, da mögen die Linken und Moskau treuen noch so viele angeblich gute Gründe anführen, die das Handeln der Machthaber im Kreml rechtfertigen könnten.

Den Gipfel der Verbrechen erreichten die imperialen Bestrebungen Moskaus jedoch in den Jahren 1932 und 1933, als eine bewusst von Moskau gegen die Ukraine initiierte Hungernot zum Tod von 4 bis 7 Millionen Ukrainern führte; bekannt unter dem Namen »Holodomor«, ukrainisch Голодомор, das »Töten durch Hunger« von голод, Hunger. Ein Völkermord, der noch immer keinen Platz im europäischen historischen Bewußtsein gefunden hat und von dem das deutsche Wiki spricht, als sei es ein Unfall gewesen, wie er eben immer mal wieder geschieht: »Hungersnot in der Sowjetunion in den 1930er Jahren, der sich in der Ukraine abspielte.« Ein ähnlicher Satz über den Holocaust, und der Staatsanwalt würde gerufen.

Diese Ukraine wird seit Jahren von Russland wieder und wieder bedroht. Den Osten des Landes überzieht Moskau seit Jahren mit Krieg. Und wer im westukrainischen Lemberg Kirchen betritt wird durch die zahllosen Fotos von getöteten Soldaten an den Kriegszustand 600 Kilometer weiter östlich erinnert. Nein, in Europa herrscht kein Friede. Nicht in der Ukraine.

Der Grund dafür, dass Russland die Ukraine angreifen kann und nun wieder bedroht, ist sehr leicht zu nennen: Kiew gab, als es im August 1991 endlich wieder seine Eigenstaatlichkeit zurückerlangt hatte, sämtliche Atomwaffen ab. Atomwaffen, mit denen Russland nun seine Nachbarn bedroht.

Was würde geschehen, wenn der lupenreine Demokrat und Präsident Russland Vladimir Putin seine Pannenverbände über die russische Westgrenze angreifen ließe ? – Sicher, die Ukraine würde sich wehren. Aber militärisch hat das Land dem hochgerüsteten Nachbarn wenig entgegenzusetzen; Hilfe aus Westeuropa darf es nicht erwarten und die Vereinigten Staaten sind weit. Und selbst, wenn man bedenkt, dass Polen und Tschechen, Balten und Ungarn – allesamt die mögliche nächsten Opfer russischer imperialer Wunschträume –, das Land bei einem längeren Krieg gegen die Invasoren unterstützten – die Aussichten wären trübe. Und die Hoffnung wird nicht größer, wenn man bedenkt, dass der Widerstand der Ukraine gegen die Invasoren nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch bis zu zwei Jahre angedauert hat und die Sümpfe des Pripjat durchaus dafür sorgen könnten, dass Russlands Soldaten dort ihr nächstes Afghanistan durchmachen könnten.

Sehr viel einfacher wird die Verteidigung, wenn die Herrscher in Moskau Angst haben müssen, dass ein Angriff gegen Kiew mit ihrem eigenen Ende enden wird. Und dafür sind nun einmal Atomwaffen die richtige Wahl. Sie zu besitzen und im äußersten Notfall eines Angriffs durch russische Panzerarmeen auch einzusetzen, ist das gute Recht eines Landes, das von seinem östlichen Nachbarn in den letzten hundert Jahren nur Böses erfuhr.

Sicher, mit der atomaren Aufrüstung der Ukraine entstünde an der Ostgrenze Mitteleuropas eine Frontlinie zum Russischen Reich. Aber diese Linie besteht ohnehin längst; sie würde nur sicherer werden. Und zugleich würde Moskau deutlich gemacht, dass es für das Land nur zwei Wege gibt: Einen friedlichen als Teil eines wirklichen Osteuropas. Oder einen kriegerischen als halb-asiatische Macht, die von ihren imperialen Wunschträumen nicht lassen kann. Der bessere ist für alle der erste. Aber wann haben Imperialisten schon mal eine Wahl betroffen, die die bessere ist ? – Richtig. Wenn man ihnen ihre Grenzen aufzeigt. Und dafür wären Atomwaffen für die Ukraine das richtige Mittel.

Sonntag, 24.Oktober 2021
Jürgen Habermas, der Kronjurist der Corona-Diktatur

Das lange Schweigen der Hofphilosophen Westdeutschlands in der Corona-Krise hätte gleich auffallen sollen. Wo sonst die deutschen Feuilletons voll sind mit Debatten über Themen wie Migration und Klimakatastrophe, blieb es über Monate still. Und wenn der italienische Philosoph Giorgio Agamben nicht bereits im Februar 2020, als man in Deutschland noch als neugieriger Betrachter am Zaun stand, mit seinem Aufschrei gegen die diktatorische Panikpolitik der Regierung in Rom überhaupt ein Denken über die Corona-Maßnahmen eingeklagt hätte, wäre es dauerhaft still geblieben im Showbiz der Intellektuellen. Und so äußerten sich zumindest Peter Sloterdijk und Markus Gabriel in Gesprächen und Büchern immer hübsch staatstreu, dass man denken konnte, Corona würde auch die Hirnzellen befallen.

Zuletzt hat sich nun auch der Staatsphilosoph der alten Bundesrepublik Deutschland zu Wort gemeldet. Jürgen Habermas, mittlerweile 93 Jahre alt, liefert ein Urteil über die Politik der Regierung; allerdings eines, das Demokraten, Anhänger des Rechtsstaats und Menschenrechtler fassungslos machen sollte. In der Septemberausgabe der ›Blätter für deutsche und internationale Politik‹, einem Sprachrohr der Links-Liberalen, rechtfertigt Habermas den staatlichen Terror in der Krise. Und das mit allen Tricks und Finessen.

In einem bizarren Parforceritt vergleicht Habermas den Kampf gegen das Virus zunächst mit einem Krieg »Species gegen Species«; wohl wissend, dass der Vergleich nicht nur auf einem Bein hinkt. Aber darum geht es auch nicht. Habermas, der Altachtundsechziger, dessen intellektuelle Fehltritte in dutzenden zählen, zielt auf einen ganz anderen Punkt. Und dafür muss er die Grundfrage der Pandemiebekämpfung in eine Richtung drehen, die ihn, Habermas selber, in eine Richtung bringt, in die er sich sicher kaum bringen wollte, falls er vorher auch nur ein wenig mehr nachgedacht hätte.

Statt zu fragen, was der Staat dürfe, dreht Habermas die Fragestellung herum – soviel Rhetorik muss sein – und fragt sich, »ob der demokratische Rechtsstaat Politiken verfolgen darf, mit denen er vermeidbare Infektions- und Todeszahlen in Kauf nimmt.« Deutlicher formuliert: Ist der demokratische Rechtsstaat nicht geradezu verpflichtet, die Grundrechte außer Kraft zu setzen ? – Ebenso gut könnte ein Bankräuber seinen Richter fragen, ob er nicht in der Pflicht gewesen wäre, zur Schaffung von Gerechtigkeit, eine Bank zu überfallen.

Nach dieser rhetorischen Finte sichert sich Habermas juristisch ab. Einerseits mit dem Hinweis, dass die Rechtsprechung das Merkel-Regime in seinen Maßnahmen bisher unterstütze – was, muss man ergänzen, schlicht falsch ist, wie diverse Urteile belegen. Andererseits mit dem Hinweis, dass es ein höchstrichterliches Urteil noch nicht gäbe – der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Maßnahmen der Landesregierung erst im Oktober für rechtswidrig erklärt, während die Richter aus Karlsruhe lieber im Kanzleramt mit Frau Merkel und ihren Ministern dienieren. Schließlich fährt der intellektuelle Großmeister der Suhrkamp-Kultur fort: »Diese Lücke« – das fehlende Urteil aus Karlsruhe – »lenkt die Aufmerksamkeit auf die besonderen Aspekte einer derartigen Ausnahmesituation wie der Bekämpfung einer Pandemie.« Und damit hat Habermas den Dreh- und Angelpunkt seiner Unterstützung der Regierungsmaßnahmen erreicht: Die Ausnahmesituation.

Anschließend geht es weiter im Stile Carl Schmitts. Der deutsche Staatsrechtler hatte sich bekanntlich anno 1934, kurz nach dem sogenannten Röhm-Putsch, dem Reichskanzler Adolf Hitler angedient, nachdem dieser nicht nur die innerparteiliche Konkurrenz umbringen, sondern bei der Gelegenheit auch die mögliche Opposition von Seiten der Militärs beseitigen respektive umbringen ließ. Diese Mordtaten wäre durch den Ausnahmezustand juristisch gedeckt, so das Urteil des anerkannten Fachmanns, das ihm später den wenig ehrenvollen Titel ›Kronjurist des Dritten Reiches‹ einbringen sollte.

Richtig, Habermas schreibt ›Ausnahmesituation‹ und nicht ›Ausnahmezustand‹. Aber dieser Unterschied ist hier nur einer der Zeichen, nicht der Bedeutung. Habermas und Schmitt meinen dasselbe: Den Zustand, der sich außerhalb aller Rechtsordnung in Krisen kristallisiert. Liest man Schmitt, hat man den Eindruck, man würde Habermas lesen. Der berühmte Schlüsselsatz des Staatsrechtlers fasst alles zusammen: »Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Mißbrauch, wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft.« Und wenn Schmitt einen Absatz später auf das »Lebensrecht des Volkes« verweist, ist die »das Leben der Bürger bedrohenden Naturgefahr« nicht weit, von der Habermas heute schreibt. Nur heißt sie ›Corona‹ und nicht ›Röhm‹.

Das »Lebensrecht des Volkes« verlangt nach besonderen Regeln. Einmal im Leben: Masken, Lockdown, Impfpflicht. Aber auch auf höherer, juristischer Ebene sind neue Vorgehensweisen vonnöten. Oder soll man nicht lieber sagen: Sehr alte. Die »Lücke«, die die unklare juristische Ausgangslage ließ und außerhalb Bayerns noch lässt, gebietet es, dass der Staat die Maßnahmen nicht nur verhängt, er muss »diese Solidarleistungen schon aus funktionalen Gründen rechtlich erzwingen dürfen.« Nur so ließe sich die »Aporie zwischen Rechtszwang und Solidarität« auflösen. Eine Aporie, die laut Habermas, im Grundgesetz »zwischen der demokratischen Selbstermächtigung der Staatsbürger zur politischen Verfolgung kollektiver Ziele einerseits und der staatlichen Gewährleistung subjektiver Freiheiten andererseits« bereits angelegt ist.

Der Leser reibt sich die Augen: »demokratischen Selbstermächtigung der Staatsbürger zur politischen Verfolgung kollektiver Ziele«. Hier weht der Geist von Carl Schmitt, ja es stürmt geradezu und bläst den Geist der Grundgesetzväter aus dem Land, degradiert ihn zumindest zur störenden aporetischen Hälfte, die einmal die Seele des Grundgesetzes genannt worden war: Die »staatlichen Gewährleistung subjektiver Freiheiten«. 1948 wusste man um die Gründe, die das Grundgesetz begründen sollten.

Diese Einschränkung der Grundrechte sei, so Habermas weiter, legitim »immer nur auf Zeit.« Was sonst ?, könnte man antworten, wenn nicht einmal Carl Schmitt seinem Führer eine unbegrenzte Aussetzung des Schutzes durch die Gesetze zubilligen wollte. »Das Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr vom 3. Juli 1934 bezeichnet in der Form eines Regierungsgesetzes den zeitlichen und sachlichen Umfang des unmittelbaren Führerhandelns. Außerhalb oder innerhalb des zeitlichen Bereichs der Tage fallende (…) ›Sonderaktionen‹ sind umso schlimmeres Unrecht.« Habermas sagt also nur, was selbst unter dem braun-roten Diktator den Juristen klar war: Unbegrenzte Willkür ist nicht geplant. Es geht um einen zeitlich festgelegten Ausnahmezustand.

Damit bleibt die entscheidende Frage: Unterscheiden sich die Positionen von Habermas und Schmitt nicht einfach darin, dass die »demokratischen Selbstermächtigung der Staatsbürger zur politischen Verfolgung kollektiver Ziele« bei Habermas etwas grundsätzlich anderes ist, als die Schaffung von Recht allein durch Hitler »Kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr« ? Schließlich entsteht das erste demokratisch auf Grund einer Mehrheitsentscheidung und das zweite durch den Entscheid des Diktators.

Das ist zwar, selbst wenn man die Selbstherrlichkeit der Kanzlerin ihrer Corona von Fachleuten außer Acht lässt, korrekt; nur ändert es nichts am Prinzip: Im Notstand setzt der Souverän Recht jenseits geltender Gesetze. Die Mehrheit schlüpft in die Rolle des Führers. Dass dem neuerdings so ist, daran besteht tatsächlich kein Zweifel. Weniger, weil die Regierung gewählt ist. Mehr, weil Bürger real darüber entscheiden können, wo die Notverordnungen gelten. Die Übergabe der Gesetzesgewalt an die Hoteliers und Restaurantbesitzer, Flugunternehmen und Clubbetreiber, erhält hier ihren wirklich Sinn. Sie trumpfen auf, als seien sie Führer, wenn sie entscheiden, ob in ihrem Etablissement G, 2G oder 3G gelten soll. In Hessen dürfen sie sogar darüber entscheiden, ob jemand im Supermarkt für sich einkaufen darf.

Die »Selbstermächtigung der Staatsbürger« im Sinn von Jürgen Habermas unterscheidet sich in ihrem Grundprinzip also durchaus nicht von der Ermächtigung durch die Nationalsozialisten und ihren Führer. Denn mit keinem Wort erlaubt das Grundgesetz die Herrschaft des willkürlichen Rechts und sei auch auf Basis der Mehrheit. Das genau ist der Sinn des Ersten Artikels: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.«

Das Recht des Grundgesetzes stammt aus dem Lebensrecht des einzelnen Menschen. Das unterscheidet es vom nationalsozialistischen Recht. Wenn Carl Schmitt also schreibt: »Jedes Recht stammt aus dem Lebensrecht des Volkes«, dann hat er den Boden des Grundgesetzes verlassen.

Habermas sagt nicht so deutlich wo genau er sich verortet. Zunächst heißt bei ihm im Geist des Grundgesetzes noch, dass »das Recht das Medium zur Gewährleistung subjektiver Freiheiten ist«. Aber danach holt er aus und erklärt, dass die »Politik das Mittel der kollektiven Zielverwirklichung« ist, die »in der Ausnahmesituation Vorrang beansprucht.«

Das ist nicht nur sehr viel näher an Schmitt. Es handelt sich vor allem um einen »temporären Rückfall unter das rechtliche Niveau reifer Demokratien«, wie Habermas selbst schamlos gesteht. Das entspricht einer netten Umschreibung für eine Diktatur der Mehrheit, die Jürgen Habermas im Geiste Carl Schmitts propagiert und ideologisch fundiert. Und auch wenn Habermas, wie er selber zugibt, kein Jurist, ist. Da er auch kein wirklicher Denker ist, aber in den Feuilltons als solcher gilt, hat er sich den Titel Kronjuristen des Corona-Regimes redlich verdient. Ein Ehrentitel ist es ohnehin nicht.

Sonntag, 24.Oktober 2021
Macht Impfen frei ?

Seit langem gehört es zum polemischen Geschäft sowohl der demokratischen Machthaber als auch ihrer Opposition, mit den Nazivergleichen um sich zu werfen. Rechte sind Nazis, Impfverweigerer auch, und natürlich werden auch die Kritiker der Energiepolitik in die Reihe der niederen Dämonen gestellt. Und umgekehrt: T-Shirts mit gelben Sternen für Ungeimpfte gibt es zu kaufen und natürlich wird das fürchterliche, wenn auch im Grund richtige »Arbeit macht frei« variiert und als »Impfen macht frei« neuerlich unter die Leute gebracht. – Beides ist falsch.

Die Opposition hat mit den tatsächlichen National-Sozialisten herzlich wenig gemeinsam, was jeder weiß, der sich mit der deutschen Geschichte jener Jahre auch nur zehn Minuten beschäftigt, und Maskenpflicht und Impfkampagnen haben mit den Vernichtungslagern zwischen Weichsel und Bug nichts, aber auch gar nichts gemeinsam. Und wer diese Vergleiche aus propagandistischen Gründen verwendet, vergeht sich wissentlich und womöglich aus gut gemeinten Motiven erneut an den Opfern.

Nein, die Impfpflicht, die keine ist, hat einen ganz anderen Grund und der hat wenig und zugleich, aber auf andere Weise, viel mit der Herrschaft der National-Sozialisten zu tun. Er ist tief in der Zeit nach 1945 verankert, in der Vorstellung, souveräne Macht könne auf der Freiwilligkeit der Beherrschten beruhen, auf ihrer Einsicht in eine Art höherer Notwendigkeit; hier in die Sinnhaftigkeit und den Nutzen der Impfung oder der anderen Maßnahmen, die in den vergangenen eineinhalb Jahren verhängt worden sind.

Immer wieder wurde trotz der offenbar anderen Realität die Freiwilligkeit des Verhängten betont. Auch jetzt bei der Impfkampagne, die bei 60 Prozent der Bevölkerung feststeckt und die anderen 40 Prozent nicht erreicht. Damit aber ähneln die Machthaber nicht Hitler und seinen Genossen, sondern weit eher erinner sie an einen Kindergärtner, der in einer selbstverwalteten Kita versucht, einen in seinen Augen vernünftigen Beschluss der Erzieher gegen die Kinder durchzusetzen. Nein, nicht durchzusetzen; der mitfühlende Pädagoge versucht, die Kinder, die nicht wollen, mit Zuckerbrot und Peitsche zu überzeugen.

Druckmittel kann er nennen und auch in kleinen Dosen implementieren. Aber niemals, niemals darf er den letzten Schritt tun und gewalttätig werden. Und falls er es wird, was vorkommen soll, dann muss er schon sehr tief in die moralische Trickkiste greifen, um seine Untat zu erklären; etwa durch einen Hinweis auf den bösen Charakter des renitenten Kindes oder eben auf den national-sozialistischen Charakter der Handlung der Opposition.

Aber im Grund bleibt die Absicht treibend, die Kinder freiwillig zu ihrem Glück oder auch Unglück zu bringen. Denn das ist der Sinn aller Reformpädagogik. Sie verleugnet die absolute Verantwortlichkeit des Erziehers und kaschiert damit zugleich ihre eigene Trägheit und die des Erziehers. Die Bürger sollen, so wie die Kinder, Einsichten zeigen, die sie selber entdecken.

In diesem Sinne ist die bis heute nicht verhängte Impfpflicht ein Kind ihrer Zeit. Weder im Deutschen Kaiserreich, auch nicht in Weimar und schon gar nicht unter den National-Sozialisten wäre dem Bürger diese letzte Freiheit geblieben, sich trotz aller Beschränkungen eben doch nicht impfen zu lassen. Kaiser, Reichskanzler und Führer hätten jeden ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten gezwungen.

Heute sehen wir dagegen eine Regierung, die wie eine Kitaleitung in Berlin-Mitte vor den Kindern steht, mittlerweile durchgehend droht und dabei sowohl lächerlich als auch bösartig wirkt und auch ist. Denn die Druckmittel werden verhängt; die Kennzeichnung der Ungeimpften wird kommen; aber immer unter dem Siegel der Freiwilligkeit. Das lässt den Machthabern das gute Gefühl, keine Gewalt auszuüben und den Drangsalierten bleibt das gleichfalls gute Gefühl, erfolgreich Widerstand gegen die Macht da oben zu leisten.

Und so machen sich beide was vor. Die einen benehmen sich wie der Freier, der glaubt, die Hure kniete freiwillig nieder vor ihm, und die anderen greifen immer wieder zum Strohhalm des Spottes über den Freier, der ernsthaft glaubt, was er sieht und natürlich glauben sie auch, der Zuhälter wolle im Grunde ihr bestes. Denn das sollte klar sein: Beide sind von sich überzeugt. Wenn sich die sogenannten Gesundheitspolitiker schließlich durchgesetzt haben sollten und ein weiteres Prozent der Bürger sich impfen lässt, weil man ohne Arbeit nun einmal nicht lange durchhalten kann, dann sind sie felsenfest überzeugt, die Bürger wären freiwillig zum Impfen gegangen. Soviel Selbstbetrug muss schon sein.

Die Machthaber sind eben Kinder der Zeit; einer Zeit, die sich einbildet, Macht könne ohne Macht ausgeübt werden. Zu welchem Zweck ? – Ganz einfach. Sie belügen sich und die Bürger, um dem Trugbild Glauben schenken zu können, sie hätten die magische Fähigkeit, den Willen der Bürger zu sich zu lenken. Im Erfolgsfall lässt sie das in dem eitlen Glauben, für das zentrale Problem Gottes, eine Lösung gefunden zu haben: Die Menschen zum Glauben durch Einsicht zu bringen. Der gläubige Bürger macht freiwillig das, was herrschende Politiker sich wünschen. Grund genug, sich göttlich zu fühlen.

Dagegen sind die Herrscher im Kreml oder in Rot-China doch nur ordinäre Despoten, wie die Geschichte sie zu tausenden kennt. Hier, in den Figuren hinter den Corona-Maßnahmen, hat der Wunsch, die Welt mit einem Abglanz göttlicher Macht zu erleuchten, seinen zeittypischen Ausdruck gefunden. Und passend zu all den anderen Machtphantasien dieser dumpfen Gestalten bleibt sein Ausdruck kümmerlich, weil er sich schließlich immer einer Lüge bedient: Der Behauptung, jemand würde sich einer Macht freiwillig unterwerfen. Sie ist Selbstbetrug und Betrug. So wie der Glaube, Impfen brächte die Freiheit zurück.

Sonntag, 2.Oktober 2021
Berlin – Wählen wie in Bullerbü

Sollte es bis jetzt noch nicht nach außen gedrungen sein, wie Berlin regiert wird, dann besteht die berechtigte Chance, dass sich das mit dem vergangenen Wahlsonntag ändert. Fehlende Wahlzettel, falsche Wahlzettel, vertauschte Wahlzettel; Wähler, die wählen dürfen, aber nicht können; Wähler, die nicht wählen dürfen aber können. Keine, aber auch gar keine Panne haben die Behörden der seit mehreren Jahren von einem Bündnis aus zwei roten und einer grünen Partei regierten Stadt ausgelassen. Zuletzt fragt man sich, woher diese komplett blamierten Figuren den Mut nehmen, die Wahl nicht freiwillig so bald wie möglich wiederholen zu lassen.

Der Mut hat einen einfachen Grund. Die Parteien, die den Senat stellen, haben die Erfahrung gemacht, dass sie trotz ihrer veritablen Unfähigkeit immer wieder von den Berlinern gewählt worden sind. Die Stadt ist pleite, die Stadt ist verdreckt, die Stadt hat die teuersten und zugleich dümmsten Schüler, die Stadt hat den kostspieleigsten und zugleich überflüssigsten Flugplatz, die Stadt hat den größten illegale und zugleich legalen Drogenpark, die Stadt hat die brutalste linke Szene des Landes – die Liste ist lang; fast 60 Prozent der Bürger sind mit der Arbeit des Senats unzufrieden.

Und trotzdem hat es am Ende bei Wahlen noch immer gereicht.

Und weil das so ist, wurde die Wahl schlampig organisiert. Die Verantwortlichen waren sich sicher, dass sie wieder gewinnen; eigentlich brauchten sie die Wahlentscheidung der Bürger nicht. Wozu also genügend Stimmzettel ausgeben, wozu darauf achten, dass die Wahllokale die richtigen Stimmzettel kriegen, wozu die insgesamt vier Wahlen – Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirke und Enteignungsantrag – auf mehrere Wochenenden verteilen. Der Rot-Rot-Grüne Senat war sich sicher, dass es auch diesmal wieder gutgeht.

Es ging nicht gut. Es ging sogar völlig daneben.

Die Durchführung der Wahl am Sonntag erinnerte an eine Kindergeschichte. Zwei Mädchen wollen einkaufen gehen. Eigentlich sollen sie nur Bratwürste holen. Aber auch sie sind sich sicher, noch allerhand mehr besorgen zu können. Ohne Einkaufszettel versteht sich. Und es passiert, was passieren muss. Sie vergessen dieses, sie vergessen jenes; und jedes mal müssen sie noch einmal zum Laden zurück. Aber dort gibts zur Belohnung jedes mal einen Drops. Fast hätten die beiden Mädchen noch die Bratwurst vergessen. Als sie endlich der Mutter das Eingeholte abliefern, zeigt sich diese erfreut. Heute würde sie sagen: »Ich bin stolz auf euch beide.«

Die Geschichte stammt von Astrid Lindgren, aus ihrem Klassiker ›Die Kinder von Bullerbü‹ – der Ort, von dem Grüne träumen; der Ort, zu dem die grüne Spitzenkandidatin Berlin machen will. Ein Kinderparadies, in dem man dummerweise auch mal einkaufen gehen muss. Aber das klappt schon. Für das Geld und für die anderen notwendigen Dinge des Lebens sorgen die Eltern. Wie in Berlin.

Natürlich gehören auch versuchte Betrügereien dazu; vielleicht nur aus Spaß, vielleicht um ganz sicher zu gehen. Wenn EU-Ausländer, die eigentlich nur auf der kommunalen Ebene, in Berlin die Bezirke, wählen dürfen, Wahlzettel für den Landtag und für den Bundestag abgeben können, dann ist das kein Zufall. Grüne, SPD und Linke hätten es gerne so, also machen sie es so, wie es ihnen gefällt. Und wenn 16-Jährige, die ebenfalls nur auf Bezirksebene wählen dürfen, Briefwahlunterlagen erhalten mit Stimmzetteln für alle vier Wahlen, dann ist auch das kein Zufall; zur Not legen sie sie selber hinein. Denn Grüne, SPD und Linke sähen 16-Jährige gerne als Wähler. Wie in Bullerbü eben.

Das alles ist schlimm. Das Schlimmste aber ist, dass die Bürger diese politischen Kinderdarsteller nicht mit Hilfe der Opposition aus ihren gut bezahlten Ämtern verjagen. Sie, die wahlberechtigten Bürger, benehmen sich wie die Eltern der Kinder von Bullerbü; die lassen sich ebenfalls alles gefallen und loben die beiden Mädchen dafür, wie gewissenhaft sie alles eingekauft haben. Bestenfalls machen sie eine böse Miene zum kindischen Spiel. Doch im allgemeinen spielen sie mit, regen sich in der Eckkneipe auf und gehen nicht wählen.

Zugegeben, die Opposition macht es ihnen auch leicht. Entweder versucht sie noch grüner zu sein. Oder noch digitaler. Und die anderen sind heillos zerstritten – Kinder eben, wie man sie aus Bullerbü kennt.

Dabei wäre es dringend geboten gerade diese Wahl für eine Wende zu nutzen. Das würde mit einer Wahlwiederholung beginnen. Gerne nur in den Wahlkreisen, in denen es zu Wahlverfälschungen kam – denn das sind praktisch alle. Insbesondere aber auch in jenen Wahlkreisen, in denen das Ergebnis entweder knapp war, oder in denen das Ergebnis auch über Berlin hinaus Bedeutung erlangt.

Ganz zuerst sind da die beiden Wahlkreise mit linken Direktkandidaten als Siegern. Nicht nur, weil die Ex-PDS im Falle der Nicht-Wiederwahl dem nächsten Bundestag endlich erspart bleiben würde. Sondern vor allem, weil dieser symbolische Akt endlich klar machen würde: Niemand braucht die Mauermörderpartei; niemand in Deutschland und ganz sicher niemand in dieser Stadt. Sie hat unter den Anhängern einer verbrecherischen Ideologie mehr als reichlich gelitten.

Viel Hoffnung auf einen Wandel hin zur Realität darf man nicht haben. Es gefällt zu vielen ihrer Bewohner an den Zitzen des Sozialstaats zu saugen und der Rest simuliert ein produktives Berufsleben in der Hilfs- und Psychoindustrie oder genießt das Studentenleben an einer der vielen deklassierten Schulen der Stadt – Bullerbü eben. Bullerbü mit Eltern, die das Treiben ihrer Kinder belächeln. Bullerbü mit Kindern, wie die Grünen sie wünschen. Bullerbü, wie es am Sonntag gewählt worden ist. Bullerbü, wie der Wähler es am Sonntag erlebte.

Samstag, 11.September 2021
Das Unbehagen an der kommenden Bundestagswahl und die Lächerlichkeit der Politiker

Mehr als einmal wurde vermerkt, dass dem Bürger kaum eine Wahl bleibt. Die Parteien sind sich zum einen so ähnlich geworden, dass eine Kanzlerin der CDU unverhohlen für eine Kanzlerkandidatin der Grünen optiert, und zum anderen wird die einzige Oppositionspartei nicht als das wahrgenommen, was sie ihrem Namen nach selber so gerne wäre: Eine Alternative. Und so dümpeln die Parteien von einem Umfragewert zum nächsten, manche stürmisch gebeutelt, andere in einem plötzlichen Hoch, wie man es von Sterbenden kennt, bevor die ihre Augen endgültig schließen. Und der Bürger steht daneben und hält die Hochs und Tiefs für einen Ausdruck des Unterschieds der Parteien – wo es doch im Grunde kaum einen wirklichen gibt, ja eigentlich keinen. – Woran das liegt ?

Durch alle Foren hindurch zieht sich ein tiefer Wunsch, mitunter zaghaft, oft aber offen geäußert. Er begleitet das Flutdesaster und den Umgang der Politik mit dem Desaster; er schimmert bei jedem Auftritt eines Politikers durch, der verängstigt versucht, zur Corona-Epidemie sein Bestes zu geben; er machte aus dem erniedrigenden Abzug aus Afghanistan eine Farce, die in der Heimat nurmehr Häme und Spott provozierte.

Dieser Wunsch kreist um Namen wie Helmut Schmidt, Franz-Josef Strauß, Willy Brandt und Konrad Adenauer – um nur die wichtigsten zu nennen. Er kreist um ein Gefühl, dass die guten alten Zeiten vorbei sind. Und er bringt die Hoffnung zum Ausdruck, es möge doch einer kommen wie sie. Mit Olaf Scholz genügt schon ein Abklatsch davon, um die Wahlen für sich zu entscheiden.

Tatsächlich bietet keine Partei, nicht eine einzige, Personen und Kandidaten, die man mit den Genannten auch nur in einem Atemzug nennen möchte. Sie alle wirken wie ein schlechter Neuaufguss des seit 16 Jahren gehabten. Sie wirken wie ein und dasselbe. Was aber ist es, was sie alle miteinander verbindet ? Durch was werden Baerbock und Laschet, Laschet und Scholz, Scholz und Baerbock zu Kandidaten einer einzigen imaginären Partei ?

Durch den ideologischen Grund, der sie allesamt miteinander verbindet. Er findet in dem berühmten, eher berüchtigten Spruch der Angela Merkel aus dem gottlosen Herbst 2015 seinen sprachlichen Ausdruck: »Wir schaffen das.« Diese Politikergilde meint, alles schaffen zu können. In ihren Augen gibt es nichts, was ihnen nicht am Ende gelingt: Migrantenkrise, Energiewende, Hochverschuldung, Bildungsdesaster – »Wir schaffen das.« Denn wir haben es immer geschafft.

Deshalb tritt auch keiner von ihnen zurück. Sie meinen, sie werden es beim nächsten mal schaffen. Annegret Kramp-Karrenbauer liebäugelt, wie es aussieht, ernsthaft mit einer weiteren Legislatur als Ministerin der Verteidigung; Heiko Maas freut sich insgeheim mit Sicherheit darauf, vier Jahre weitere Außenminister zu sein; Gesundheitsminister Spahn geht garantiert davon aus, auch im nächsten Kabinett den nächsten Lockdown verkünden zu dürfen. Diese Politiker sind die Ausgeburt der schlechten Schüler, kein Sitzenbleiben mehr kennen, sondern verweilen.

Früher hätte man gesagt, sie kleben an ihren Sitzen. Und früher hätte kein Minister gewagt, auch nur fünf Minuten länger im Amt zu verweilen nach Katastrophen wie im Ahrtal, in Kabul oder der Intensivbettenkrise, die man als Corona-Epidemie an die Leute verkauft. Das unterscheidet die Damaligen von den Figuren, die heute von Berlin aus regieren. Sie hatten noch so etwas wie politische Ehre im Leib. – Aber warum ? Was machte sie anders ?

Eine Antwort findet der Bürger auf einem Plakat von den Grünen. Ein Balg von vielleicht 13 Jahren hält die Augen geschlossen und darunter heißt es: »Kommt, wir bauen das neue Europa.« Mit einem solchen Plakat schafft eine Partei in Umfragen 15 Prozent, mit einem Balg, das mit geschlossenen Augen ein neues Europa bauen will. Man mag es nicht glauben. Aber es ist so. Und das schlimmste ist, die anderen sind keinen Deut besser.

Der Wille, ein neues Europa zu bauen – mit der Betonung auf neu – bindet all diese Parteien zusammen. Bei den Grünen offenbart er ihre tiefe und enge ideologische Bindung zur Linken; bei Christdemokraten und Freidemokraten zeigt er eine Abkehr von dem, was sie alten Politiker ausgemacht hat. Was den Kommunisten der »neue Mensch«, das ist Grünen und Linken die Gemeinde der LGBT-Gläubigen, die an gar nichts mehr glauben, nicht einmal an das Geschlecht. Ihr wird auch von Christdemokraten und Freidemokraten gehuldigt. Die Wenigsten begehren auf gegen den Wunsch, das Geschlecht nach Lust und Laune wechseln zu können.

In diesem Wunsch finden sich alle verbunden und wird alles, was die scheinbar unterschiedlichen Parteien zu einem macht, gebündelt. Es fußt im Glauben, über alles verfügen zu können, alles zu schaffen. Müßig, hier noch das großmäulige Gerede vom Klimawandel zu nennen, der in Deutschland beginne.

Der heute fast vergessene Eric Voegelin hat in den Allmachtsphantasien und dem Wunsch, das Paradies auf Erden schaffen zu wollen, vor über 70 Jahren bereits das eigentlich Unglück dieser Epoche gesehen: Im Osten wie auch im Westen; für ihn waren Liberalismus und Kommunismus Brüder im Ungeist. Er hoffte, es würde nach der Katastrophe der Jahrzehnte zuvor eine Besserung geben. Und tatsächlich sah es auch zunächst danach aus. Eine Riege von Politiker kam zumindest in Westdeutschland an die Hebel der Macht, die von dem Infekt »Wir schaffen das«, noch nicht angesteckt waren. Sie wussten, nach allem was sie erlebt hatten, um die Beschränktheit des Menschen. Doch gerade deshalb machten sie, als es darauf ankam, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt.

Diese Art der im Glauben begründeten Selbstbeschränkung ist heute verschwunden. Abenteurer haben die Macht an sich gerissen. Hasardeure, die eine Erbschaft auf dem Altar ihrer Ideologien verspielen. Und von der einzigen Alternative kommt kaum mehr als ein bescheidenes Zucken, denn auch dort fehlt in weiten Teilen das Fundament, um eine wirkliche Alternative zu bieten: Selbstbeschränkung und Glaube. Zumindest spielen sie nicht in den politischen Alltag hinein.

Das aber zeichnete Schmidt und Strauß, Adenauer und Brandt vor den Heutigen aus. Sie wussten um ihre Grenzen und zugleich um ihren wirklichen Halt. Deshalb schenkten die Bürger ihnen Vertrauen; deshalb hatten sie ihr Vertrauen verdient. In der Erinnerung hat sich dieses Vertrauensverhältnis erhalten und es schwingt in jeder Nennung ihrer Namen bis heute mit.

Nichts davon können Namen wie Helmut Kohl, Gerhard Schröder und demnächst Angela Merkel vermitteln. Sie stehen für die schrittweise Abkehr vom Wissen um die Beschränktheit der eigene Macht. Dass im Resultat Namen wie Laschet, Baerbock und Scholz sich ins Gegenteil der hemmungslosen und herrschsüchtigen Absichten ihrer Träger kehren und klingen wie der Heinrich Lübke seiner Zweiten Amtszeit als Bundespräsident, das haben dann vielleicht die politischen Götter extra so eingerichtet, denn sie neigen bekanntlich dazu, den Übermut der Menschen gerecht zu bestrafen: Mit Lächerlichkeit.

Sonntag, 14.August 2021
Die Reinheit des Blutes der Geimpften

Die Gesellschaft zerfällt in Ungeimpfte und Geimpfte. Während die einen sich dazu entscheiden, das Risiko einer Impfung nicht einzugehen, lassen sich die anderen einen Impfstoff spritzen, der ihr Blut so verändert, dass es gegen die Krankheit SARS-CoV-2 vielleicht nicht unbedingt schützt, aber zumindest den Krankheitsverlauf erträglicher macht. In jedem Fall fühlen sich die Geimpften anschließend unter Geimpften sicher und die Ungeimpften werden als Gefährdung erlebt. Eine Gemeinschaft der Geimpften entsteht.

Gemeinschaft – das ist der Traum fast aller Menschen. Der Nachbar wird endlich zum Mitmensch. Ein gemeinsames Interesse verbindet über den schnöden Alltag hinaus. Opfer werden gebracht. Hilfsbereitschaft wird gezeigt. Es geht um Leben und Tod.

Mit der Sehnsucht nach Gemeinschaft haben linke und rechte Ideologien von jeher gespielt. Auf der einen Seite, der linken, wurden sichtbare, rationale Merkmale Kennzeichen der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft; auf der anderen Seite, der rechten, waren es mystische, irrationale Merkmale, die auch hier zur Schaffung von Gemeinschaft dienten und dienen. Etwas konkreter: Die Rolle, die für die linken Kräften eine erstrebenswerte und begrifflich ausformulierte ›Gerechtigkeit‹ spielt, übernimmt auf der anderen Seite der Boden; was dort der Begriff der ›Gleichheit‹ abdeckt, übernimmt hier die Verwandtschaft des Blutes. So oder so, ob in einer Sachgemeinschaft oder einer Gemeinschaft des Blutes – die Mitglieder einer Gemeinschaft fühlen sich durch eine, wie es Helmuth Plessner nannte, »Gleichgestimmtheit der Seelen« untereinander verbunden. Sie zeigen eine tiefe Bereitschaft, sich »für einander oder das Ganze zu opfern«.

Der Drang zur Gemeinschaft dominiert, sobald eine Gesellschaft bedroht ist; sei es durch eine ökonomische Krise, sei es durch Krieg oder durch eine Krankheit. Die Bedrohten rücken zusammen und grenzen sich ab. Die rational und in allgemeinen Begriffen liierten vom jeweils Konkreten, also allem, was sich Allgemeinbegriffe wie Gleichheit und Gerechtigkeit widersetzt; die irrational liierten von allem, was den Zusammenhang zum Blut und Boden des Nachbarn oder der Väter und Mütter bedroht. Bleibt die Bedrohung akut, wenden sich Gemeinschaften gegen alles, was sie bedroht. Wer den Begriff der Gerechtigkeit kritisiert und darauf besteht, Gerechtigkeit schaffen, könne nur Gott, der macht sich verdächtig und wird bald verfolgt. Die Anderen werden vom Boden der Gemeinschaft vertrieben oder als nicht mehr zur Blutsgemeinschaft gehörend markiert. Zuletzt wird mit der Ausmerzung jener begonnen, die nicht zur Gemeinschaft gehören.

Wo befindet sich die deutsche Gesellschaft zur Zeit ?

Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, genügt ein Blick auf Impfdiskussion der vergangenen Wochen. Sie gewinnt an Schärfe und sie kehrt den eigentlichen Charakter einer Gesellschaft in Zeiten der Epidemie immer klarer nach außen: Die Impfung ist der Versuch, eine Gemeinschaft der Geimpften zu schaffen. Die aber ist zunächst einmal mystisch und irrational; eine Gemeinschaft, die sich auf ihr Blut und schließlich auf ihren Boden beruft.

Denn nichts anderes bewirkt die Impfung unabhängig davon, ob sie gegen Corona hilft oder nicht: Sie verändert das Blut und sie lässt die Geimpften als Mitglieder einer Art von Rasse erscheinen. Ihr Blut ist anders als jenes von denen, die sich nicht impfen lassen. Sie selber sind anders, sind für die anderen keine Gefahr; die anderen sind eine Gefahr. Und wer in welche Gemeinschaft gehört, darüber entscheidet das Blut. Das aber ist lupenreiner Rassismus.

Ein Blick in den Alltag lässt kaum eine andere Sichtweise zu. Immer häufiger werde ich beim Eintreten in ein Café oder ein Lokal und überhaupt bei einer Begegnung gefragt: »Sind Sie geimpft ?« – Ich bin es nicht und stehe dazu. Aber die Zahl der Fragenden, die mehr Abstand sucht als von den Behörden gefordert, nimmt ebenfalls zu. Noch begegnet man mir als Ungeimpften mit einer Mischung aus Neid auf den Mut, dem Trommelfeuer der Staats-Propaganda standgehalten zu haben, und Skepsis, ob es nicht besser wäre, sich impfen zu lassen; besser für mich, aber vor allem besser für alle Geimpften. Anschließend folgt die Kritik.

Auch die staatlichen Organe grenzen die Ungeimpften immer mehr aus – die typischen Schritte, bevor eine Gemeinschaft auf jene losgeht, die nicht zu ihr gehören. Zuerst werden die Ausgegrenzten markiert, dann konzentriert und zuletzt nach draußen geschoben. Mit dem Impfpass ist die erste Eskalationsstufe seit langem bestiegen. Die Sonderung der Ungeimpften wird schon noch kommen. Gut denkbar, dass Ungeimpfte in Zügen bald in speziellen Abteilen eingepfercht werden. Wozu sollten Ungeimpfte auch Abstand bewahren ?

Diese Blutverwandtschaft der Geimpften hat jedoch eine bezeichnende Lücke: Jugendliche und Kinder. Sie sind noch immer ungeimpft, weil die Langzeitwirkungen des Impfstoffs unbekannt sind. Die Gemeinschaft der Geimpften grenzt also einen Teil von sich aus, der gleichfalls mit ihnen blutsverwandt ist – nur eben nicht über die Impfung. Ein Bruch, der in keinem Fall akzeptiert werden kann. In keinem! Und so darf es nicht wundern, dass die Gruppe der ungeimpften Kinder immer mehr ins Visier der Geimpften gerät, obwohl für sie das Risiko bei einer Infektion mit Corona bedrohlich zu erkranken äußerst gering ist.

Eine Gemeinschaft ohne Kinder ist aber keine Gemeinschaft, denn sie hat keine Zukunft. Und nun kommt der besondere Charakter dieser Blutverwandtschaft der Geimpften ins Spiel. Sie wollen die Gemeinschaft der Ungeimpften – ja, auch sie bilden eine Gemeinschaft –, bekämpfen und wenn möglich aussterben lassen. Dafür bedienen sie sich der Art und Weise, wie die Gemeinschaft der Geimpften entstand und entsteht: Durch Impfung. Mit der Impfung der Kinder werden die Kinder in die Blutsgemeinschaft der Geimpften geholt.

Das unterscheidet das Blut der Geimpften vom deutschen und vom arischen Blut: Die Zugehörigkeit zur Blutsgemeinschaft der Geimpften lässt sich schaffen. Wo die National-Sozialisten mit viel Aufwand Blutsverwandtschaften nachweisen wollten und als sie scheiterten auf die Abstammungsurkunden der Evangelischen Kirche zugreifen mussten und konnten, besteht bei Geimpften der Nachweis in einem einfachen Test. Je nach Blutbild ließe sich ein Vollgeimpfter leicht von einem Dreiviertel- oder nur noch Halbgeimpften unterscheiden und trennen. Die mystische Gemeinschaft des Blutes findet zum rationalen Kern, den die National-Sozialisten nicht fanden; die beiden Formen von Gemeinschaft überdecken sich und werden eins. Und auch die Techniken des Rassismus finden zusammen.

Denn es werden nicht nur die Kinder der Geimpften geimpft und damit die eigenen Kinder in die Gemeinschaft der Geimpften geholt. In der nächsten Stufe werden auch die Kinder der Ungeimpften zum Ziel. Zuerst werden sie von ihren Eltern getrennt, dann wird man sie impfen. Wer das nicht glaubt, schaue sich an, was in Berlin gerade geschieht: Die Kinder werden in den Schulen von den Behörden und an den Eltern vorbei direkt angesprochen, sich impfen zu lassen; sie werden von ihren Eltern getrennt und heim in die Gemeinschaft der Geimpften geholt. Wen das an die Zwangsadoptionen von Kindern oppositioneller Eltern in sozialistischen Staaten oder der Zwangsadoption von Kindern in Kolonialgebieten erinnert, der liegt richtig. Den Ungeimpften werden ihre Kinder entrissen indem man sie impft. Im Notfall eben per Zwang.

Das ist der Punkt, an dem sich die deutsche Gesellschaft gerade befinden. Und ganz nebenbei gebiert sie alles, was zum mystischen Rassismus des Blutes gehörte; es findet sich im Impfstaat schlussendlich wieder. In Zeiten, die sich einbilden, durch und durch anti-rassistisch zu sein, tobt sich dieser neue Rassismus ungehemmt und staatlich auf breiter Front unterstützt rigoros aus: Der Rassismus der Geimpften, deren Blut reiner ist, als es das Blut der Arier je war.

Sonntag, 8.August 2021
Wissenschaft ist undemokratisch!

Ein beliebter Witz im Mathematikunterricht lautet: Wir stimmen über das Ergebnis der Aufgabe ab. Und jeder weiß: Das ist Unsinn. Die Gültigkeit einer mathematischen Gleichung hat mit Abstimmung nichts zu schaffen. Schwierig wird es allerdings, wenn ein Beweis für die Gleichung fehlt und ein Satz gelten kann oder auch nicht. Der Große Fermatsatz genoss diesen Status über 300 Jahre bis er 1993 bewiesen werden konnte.

In den Naturwissenschaften ist es ähnlich und zugleich ganz anders. Denn sie kennen keine abschließende Gültigkeit ihrer Sätze, sondern nur deren Ungültigkeit. Einmal widerlegt, sollte niemand versuchen, sie ein zweiten Mal aufzutischen.

In der Statistik ist es noch einmal ganz anders: Hier können alle Sätze immer wieder mal gelten und mal wieder nicht; je nachdem, ob die Daten ihn gerade bestätigen oder eben nicht. Und welche Datenmenge als Bestätigung gilt, ist überdies eine Sache der Einschätzung und kann sich fortwährend ändern.

So weit, so gut. Oder auch nicht. Denn in keinem Fall wird über die Gültigkeit und Ungültigkeit eines Satzes abgestimmt. Die Wissenschaft ist undemokratisch. Das wird auch nicht besser, wenn man behauptet: Es ist Konsens unter Wissenschaftlern. Zum Beispiel: Es ist Konsens, dass der Klimawandel wesentlich durch Menschen gemacht wird. Es gibt keinen Konsens, da es unter Wissenschaftlern keine Abstimmung gab.

Bestenfalls kann man also behaupten: Die Mehrheit der Wissenschaftler hält diese oder jene Behauptung für richtig. Allerdings wird die Wissenschaft dadurch nicht demokratisch. Kein Wissenschaftler, der diesen Titel verdient, wird sagen, die These sei gültig, weil die Mehrheit seiner Kollegen sie vertritt. So wenig wie im Mathematikunterricht käme einer von ihnen auf den tumben Gedanken, über ihre Gültigkeit abzustimmen. Und im Grunde weiß das auch jeder. Die Wissenschaft ist undemokratisch.

Die Politik hat es mittlerweile gelernt, sich diesen Umstand zu nutze zu machen. Sie greift sich wissenschaftliche Thesen heraus, die ideologisch zu ihr passen und verkauft eine tatsächliche oder auch nur fingierte Mehrheitsmeinung unter Wissenschaftlern als Geltung. Und schon wird aus dem lediglich wahrscheinlich menschengemachten Klimawandel ein gesicherter Satz: Der Klimawandel ist von Menschen gemacht.

Dabei hat die Politik eine perfide Wendung vollzogen. Sie nutzt das undemokratische und überdies elitäre Wesen der Wissenschaften, um die politische Demokratie auszuhöhlen. Mit Hilfe der dann politisierten Wissenschaften wird die Diktatur installiert. Wie das geht ? – Über das Gerede vom Konsens. Der angebliche Konsens der Wissenschaftler suggeriert, es habe eine demokratische Abstimmung stattgefunden und es sei im Grunde alles in Ordnung.

Mit diesem Trick arbeiten vor allem Sozialisten von rechts und von links. Dort sind es angebliche Rassegesetze, hier sind es ökonomische Gesetze. Weil sie angeblich wissenschaftlich belegt sind, ist ihnen zu folgen. Demokratische Abstimmungen gibt es nicht mehr. Die Grünen haben mit ihrem Vorschlag, ein Klimaministerium mit Veto-Recht einzurichten eine neue Stufe dieser Entdemokratisierung mit Hilfe des angeblichen Konsens der Wissenschaftler erreicht.

Der Konsens der Wissenschaftler selber verrät dann aber zugleich, wie Demokratie zur Diktatur wird und wo der unwissenschaftlich Abschnitt dieser Machtübernahme mit Hilfe von Wissenschaften beginnt. Und der angeblich überwiegend menschengemachte Klimawandel gibt ein fast prototypisches Beispiel: Immer wieder wird die Zahl kolportiert, 98 Prozent aller Wissenschaftler seien der Meinung, der Klimawandel sei überwiegend menschengemacht. Das ist so wohl auch richtig. Was aber nicht gesagt wird: Für wie sicher halten die 98 Prozent der Wissenschaftler ihre These ? Es ist nämlich ein Unterschied, ob 98 Prozent zu jeweils 80 Prozent überzeugt sind oder zu lediglich 51 Prozent. Das aber interessiert den grünen Politiker nicht: Er propagiert die Mehrheit von 98 Prozent und verkauft sie als eine demokratische gesicherte Mehrheitsmeinung, die er dann undemokratisch gegen die Mehrheit der Bürger vertritt.

Wissenschaftlich korrekt wäre die Aussage: 98 Prozent der Wissenschaftler halten mit einer Sicherheit von über 50 Prozent den Klimawandel für menschengemacht. Das Dumme daran: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Klimawandel menschengemacht ist, läge dann nach Einschätzung der Wissenschaftler weiterhin nur bei über 50 Prozent. Die 98 Prozent sind im Grunde für die Sicherheit der These belanglos. Natürlich könnte man nun den Mittelwert bilden und der liegt bei etwa 80 Prozent. Doch auch diese Zahl hat den Haken, dass sie alle Wissenschaftler vergisst, deren Vermutung unter 50 Prozent Sicherheit liegt. Dass in dieser Rechnung zudem die Unsicherheit oder auch Streuung über die einzelne Aussage fehlt, sei nur noch am Rande erwähnt.

Was ich sagen will: Mit dem völlig zurecht undemokratischen Charakter der Wissenschaften wird auf einem perfiden Umweg die politische Demokratie niedergelegt. Das zeigt sich beim Klima und nun auch bei Corona. Und einige Wissenschaftler genießen die Rolle, Steigbügelhalter der Diktatoren zu sein. Dass sie dabei die Wissenschaften verraten, wird sie wohl nicht weiter stören; irritieren dürfte sie allenfalls, dass sie in die Rolle jener Vertreter des religiösen Lebens geraten, die sich der weltlichen Macht zum Schaden der Glaubens verschrieben. Am Ende wird die Wissenschaft ihre Wahrheit genauso verlieren wie die Kirche ihren Glauben. Und die lachenden Dritten sind wieder die Diktatoren.

Samstag, 7.August 2021
Die bewußte Selbstinfektion – Ein richtiger Weg!

Seit die Politik den Glauben als Grundlage sinnvollen Handelns verloren hat, missbraucht sie die Wissenschaften zur Propaganda. Wie selbstverständlich behauptet sie von sich, wissenschaftlich zu sein; in guter Erinnerung ist der Wissenschaftliche Sozialismus; seit einigen Jahren diktiert der wissenschaftlich belegt menschengemachte Klimawandel den Alltag; aktuell zertritt die Regierung ihre Kritiker mit dem Hinweis auf die Wissenschaftlichkeit ihrer Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie.

Tatsächlich waren weder der Sozialismus wissenschaftlich noch ist es erwiesen, dass der Klimawandel entscheidend von Menschen gemacht wird. Es gibt nur einen sogenannten Konsens der Wissenschaften – und das, obwohl wissenschaftliche Erkenntnis einen Konsens nicht kennt; Wissenschaft ist undemokratisch. Bei der Corona-Epidemie wird das schon seit 16 Monaten deutlich, aber niemals wurde es so sonnenklar offenbar, wie in diesen Tagen in Frankreich.

Auch in Frankreich droht die Regierung dem Volk, praktisch jeden zu impfen. Mit der Lüge vom Impfangebot wird die de facto Impfpflicht kaschiert. In einer letzten Stufe sollen nun auch Kinder und Jugendliche unter die Nadel – die Propagandapresse nennt es den kleinen Pieks. Als wäre eine Notfallzulassung der Normalfall.

Doch nun haben französische Jugendliche einen Weg gefunden, das medizinische Experiment, das die Regierung mit ihnen plant, zu unterlaufen. Denn nicht nur Geimpfte werden demnächst als die besseren Menschen behandelt. Auch wer genesen ist, Corona also schon hatte, gilt als Mensch und nicht nur als Ungeimpfter.

Allein die Idee, sich bewußt mit Corona zu infizieren, ist ein Schlag ins Gesicht der Panikmacher vom Dienst. All die Plagegeister und Hetzer, die den Bürgern damit drohen, sie würden fast sicher im nächsten halben Jahr mit dem chinesischen Virus infiziert, stehen, wie der Volksmund so schön sagt, da mit runter gelassenen Hosen.

Dabei ist die Idee so wissenschaftlich begründet wie nur etwas. Zumindest ist sie besser begründet, als all die Phantastereien mit Richtwerten, die von den selbsternannten Experten alle paar Wochen angepasst werden, als hätte die Softwareabteilung von Volkswagen die Messung der Werte übernommen. Die Überlegung ist so einfach wie richtig: Wenn die Risiken der Impfung gegen Corona größer sind als die Risiken nach einer Infektion mit Corona, dann ist die bewußte Infektion das Mittel der Wahl. Da können die Wielers und Lauterbäche Wellen schlagen so hoch wie sie wollen.

Und die Faktenlage ist ebenso klar: Für Kinder und Jugendliche ist das Risiko eines auch nur mittelschweren Krankheitsverlaufs minimal. Tote unter Kindern und Jugendlichen hat es in Deutschland bisher keine gegeben – sagt zumindest das Robert-Koch-Institut. Und in diesem Fall kann man der Einrichtung ebenso trauen, wie der Wehrmacht getraut werden konnte, wenn sie eine schwere Niederlage gestand.

Trotzdem sind die Experten in Aufruhr. Nicht dass sie die eben beschriebene Begründung widerlegen könnten; das können sie nicht. Aber sie zaubern ohne den Anflug von Scham die Langzeitfolgen einer Infektion mit Corona aus ihrem Hütchen; ein Propagandaschachzug, der unter dem Titel ›Long Covid‹ eine neue Bedrohung imaginiert. Indes ist, wer so argumentiert, unter Wissenschaftlern das, was im anderen Kontext Schweinepriester genannt wird. Denn wer auf ›Long Covid‹ verweist, ohne die möglichen Langzeitschäden einer Impfung zu nennen, der ist schlichtweg ein Lügner.

Wissenschaftlich gesehen ist die Selbstinfektion aller Personen, deren Risiko durch die Impfung höher ist, als das Risiko nach einer Infektion mit Corona auch nur mittelschwer zu erkranken, absolut richtig. Und widersinnig klingt der Gedanke nur, weil wir nach 16 Monaten Panikmache den Eindruck haben, Corona wäre so etwas wie die Pest der Moderne – was Corona aber nicht ist.

Natürlich klingt die Idee, sich absichtlich mit einer Krankheit zu infizieren, im ersten Moment völlig absurd. So gesehen steckt in allen von uns ein unwissenschaftliches Tier, das Krankheiten prinzipiell meidet. Aber das ist ja das bemerkenswerte am wirklichen wissenschaftlichen Denken: Dass es diesen ersten Reflex überwindet und die wirklich richtigen Wege erkennt, die nicht immer die sind, die die richtigen scheinen. Als Forscher das irgendwann vor Jahrzehnten erkannten, haben sie die Impfung erfunden. Denn die macht tatsächlich genau das, was die Jugendlichen in Frankreich gerade machen: Eine Selbstinfektion. Ihnen, diesen Jugendlichen, gebührt das Recht, ihr Verhalten wissenschaftlich zu nennen.

Genaugenommen müsste die Regierung Kinder und Jugendliche also nicht zur Impfung aufrufen, sondern zur Selbstinfektion; ausdrücklich Jugendliche und Kinder. Nichts daran ist absurd; absurd ist allenfalls, dass dieser Gedanke so spät ins Spiel kommt. Für ältere Bürger ist dieser Weg sicherlich falsch. Und für alle dazwischen wird es eine Frage der Abwägung sein.

Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Regierenden diesen Weg der Selbstinfektion bei Kindern und Jugendlichen einschlagen werden. Eher ist den Experten zuzutrauen, dass sie die Genesenen aus der Liste der Bürger, die wieder als Menschen gelten, kurzerhand streicht. Quasi als wissenschaftlicher Beweis dafür, dass diese Regierung mit Wissenschaft nichts am Hut hat, sondern Wissenschaft für sie nichts weiter ist, als ein Mittel, die eigene Macht zu erhalten. Denn die eigene Macht und nicht etwa die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen ist ihr wirkliches Ziel. Sonst würden sie es nicht einmal wagen, an die Impfung aller Kinder und Jugendlichen auch nur zu denken.

Sonntag, 20.Juni 2021
22.Juni 1941 – Ein tragischer Tag für Europa

Am Morgen des 22. Juni 1941 begann – ja, was begann an diesem Sonntag eigentlich zwischen 3 Uhr und 3.30 ? Nach der heute in Deutschland gängigen Lesart, wurde an diesem Tag die Sowjetunion vom Deutschen Reich überfallen. Nach einer anderen, eher angelsächsischen Sicht, begann der Deutsch-Russische Krieg. Und schon steckt der Betrachter mitten in all den Streitereien über einen Krieg, der die Gemüter noch heute erhitzt, sofern man nicht die offizielle Sichtweise übernimmt, die sich mit Hilfe einseitiger Schuldzuweisungen an die deutsche Seite begnügt.

Was an jenem Sonntag tatsächlich passierte, lässt sich heute, in diesen geistig und politisch immer ärmeren Zeiten, mehr und mehr vor allem auf einem Weg sinnvoll bewerten: In den Aufzeichnungen der Zeitzeugen jenes Tages im Juni vor 80 Jahren. Und schnell wird deutlich: Die Wahrheit liegt eben tiefer verborgen als das heutige, oberflächliche Propagandageheul der Wölfe des Mainstreams wahrhaben will. Und diese Wahrheit liegt daher umso weiter entfernt, je weiter sich das Ereignis entfernt. Wir Heutigen können es im Abstand von 80 Jahren kaum mehr ermessen. Der räumliche Abstand zu den fernen Orten mit östlichen unvertraut klingenden Namen wie Brest-Litowsk, Przemysl und Jassy, Bug und Pruth verriegelt den Zugang zusätzlich linguistisch – nichts, was der Erinnerung Halt bieten könnte, wenn Karten und Landschaft nicht mehr präsent sind.

Anders die Zeugen der ersten Stunden des Angriffs. Sie spürten noch durch den Nebel der stalinistisch-hitleresken Propaganda: Um 22. Juni um 5.30 Uhr hatte ein völlig neuer Abschnitt des europäischen Krieges, der kurz davor stand, ins dritte Kriegsjahr zu gehen, begonnen. Und er hatte überraschend begonnen. Zwar hatte Deutschland drei Tage vor dem Angriff mit der Türkei einen Freundschaftsvertrag abgeschlossen, der die Südflanke absichern sollte. Aber die Unterzeichnung ging unter im alltäglichen Kriegslärm: In Syrien kämpften Briten und Franzosen vor den Toren von Damaskus gegen Franzosen; noch am Samstag, dem 21. Juni, drohte Roosevelt vor dem US-Kongress Deutschland mit Krieg; einige planten vielleicht am morgigen Sonntag den Waffenstillstand, den das geschlagene Frankreich ein Jahr zuvor im Wald von Compiègne unterschrieben hatte, angemessen zu feiern – oder zu trauern.

»Heute früh, allein zu Haus stelle ich London an«, schreibt der in die Schweiz emigrierte Wilhelm Muehlon am Sonntag, den 22.Juni 1941, »der Sprecher ist schon im Zuge, aber was er sagt, ist so außerordentlich, dass ich aufspringen und mit jemand reden möchte. Hitler ist seit heute 3 Uhr im Vormarsch gegen Russland, auf der ganzen Front von Finnland bis Rumänien.« Indes,was man vermisst: Muehlon, ganz sicher kein Freund des Reichs, positioniert sich nicht auf der Seite des Roten Diktators. »Nun, mir ist nur wichtig, dass sich England von Russland fernhält.« Molotows Klage über den Verrat durch Hitler kommentiert er gallig: »Ein Restchen von Anstand unter Räubern und Mördern haben die Russen gemäss altmodischer Moral erwartet!«

Astrid Lindgren, ebenfalls ganz sicher kein Anhänger der National-Sozialisten, kommentiert in ihrem Tagebuch: »Heute Morgen um ½ 5 haben deutsche Truppen die russische Grenze überschritten«. Auch ihr ist die Überraschung anzumerken. In ihrer Umgebung wird über die mögliche Länge des Krieges spekuliert. »Großmutter ist ruhig und sagt ›jetzt ist es bald vorbei‹. Und ich glaube das Gegenteil, es gerade erst angefangen.« Lindgren, Mitarbeiterin des Schwedischen Geheimdienstes, sollte es einschätzen können. Zugleich weiß auch sie nichts über den Frontverlauf und die Ereignisse an der 2.000 Kilometer langen Front. Dann fährt sie fort: »Das Seltsame ist ja, dass man nun zu Deutschland halten muss. Es wird sicher anstrengend, mit Deutschland gegen Russland und mit England gegen Deutschland zu halten.«

Selbst Dimitri Schostakowitsch – in wenigen Wochen wird der Krieg bis vor die Tore seiner Heimatstadt Sankt Petersburg, damals noch Leningrad vorgerückt sein – selbst Schostakowitsch erkennt, dass der beginnende Krieg zunächst Erleichterung brachte. Plötzlich musste der Mordapparat der Kommunistischen Partei die Zügel lockerer lassen, denn er brauchte die Unterstützung des gesamten Russischen Volkes. »Man betrachtet die Vorkriegszeit heute gern als Idylle«, sagt er im Rückblick. »Alles war schön und gut, bis Hitler kam. Hitler war ein Verbrecher, nicht zu bezweifeln. Aber auch Stalin war ein Verbrecher.« »Der Krieg gegen Hitler brachte unendlich viel neues Leid, neue Zerstörungen. Aber darüber habe ich die schrecklichen Vorkriegsjahre nicht vergessen.«

In seiner Siebten Sinfonie hat Schostakowitsch diesem ambivalenten Charakter des beginnenden Deutsch-Russischen Krieges buchstäblich ein Denkmal gesetzt. Der erste Satz exponiert einen Marsch, über den niemals schlüssig gesagt werden konnte, wer eigentlich dort marschiert: Die Deutsche Wehrmacht oder die Kommunisten. Der leise Anfang entspricht ganz und gar nicht dem Bild vom Überfall auf die Sowjetunion. Es passt viel eher zu einem Marsch des Bösen, das sich anschleichen will. Dagegen passt das erste Motiv musikalisch zu Haydns berühmtester Komposition, stellt also deutlich die Deutsche Nationalhymne dar. Da zugleich auch russische Motive nachweisbar sind, lässt sich die Frage schlicht nicht entscheiden. Doch gerade das ist die Antwort: Der erste Satz des Siebten verwischt den Unterschied zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus, weil es keinen wesentlichen Unterschied gibt, was ihren verbrecherischen Charakter betrifft.

Im Grund lässt sich dieser Blick auf die seit 80 Jahren tobende Debatte über Recht oder Unrecht des Angriffs übertragen. Drohte Stalin nicht jederzeit mit einem Erstschlag ? Hatte Stalin nicht ohnehin große Truppenmassen in die vorderste Linie gebracht ? Stießen sie deutschen Soldaten nicht überhaupt in ein Aufmarschgebiet ? – Nichts davon lässt sich abschließend sagen. Fakt ist allein, dass die deutschen Divisionen den ersten Schritt gemacht haben.

Fakt ist aber auch, dass sich die beiden bis dahin schlimmsten Diktaturen in diesem Krieg nichts gaben und nichts geben würden. Der Völkermord in der Ukraine wenige Jahre zuvor, die Ermordung tausender polnischer Offiziere und Intellektueller durch Kommunisten und Nationalsozialisten im Zuge des im September 1939 gemeinsam begangenen Überfalls auf das verachtete Polen, die ungezählten Verbrechen im deutsche Namen nach dem Sonntag im Juni, die im ›Holocaust‹ kulminierten – das alles lässt die Frage nach dem Angreifer tatsächlich verblassen. Denn darum geht es ja nur noch: Wer Angreifer war, den trifft die moralische Schuld. – Doch hier trifft beide die Schuld.

Wer es anders sieht und Deutschland die Alleinschuld zuschieben will, hat nichts von der eigentlichen Tragik des Deutsch-Russischen Krieges verstanden. Man muss nur fragen: ›Was wäre wenn ?‹ um zu sehen, wie das Urteil über den 22. Juni 1941 ausfallen muss. Hätte Hitler gesiegt, wäre die Festung Europa für die beiden dann verbliebenen westlichen Alliierten uneinnehmbar gewesen. Allein der Gedanke ist schrecklich. Statt dessen hat Stalin gesiegt. Was wäre geschehen, wenn er seine Militärführung nicht wenige Jahre zuvor ausgelöscht hätte und seine Armeen ähnlich erfolgreich wie im August 1939 gegen Japan schon früh über die Wehrmacht gesiegt haben würden ? – Auch dieser Gedanke ist schrecklich.

Am 22. Juni 1941 begann ein Krieg, zu dem es in der Weltgeschichte wenig vergleichbares gibt. Ein Krieg, der im Grunde keine Positionierung erlaubte, die nicht mit dem Blut tausender Toter getränkt war. Die Wahl Hitler oder Stalin erlaubte keine Entscheidung. Man konnte nur hoffen, dass keiner von beiden als Sieger das Schlachtfeld verlässt und wenn, dann nur so geschwächt, dass sich ein weiterer Krieg in Europa für den Sieger verbot.

Dieses Kalkül hört sich an nach reinem Zynismus. Schon weil ein schnelles Ende des Krieges kaum mehr wünschenswert scheint. Aber nur in dieser Einschätzung bleibt die ganze Tragik des Tages erhalten. Alles andere, alles Reden vom hinterhältigen Überfall und alle Schuldzuweisung der einen gegen die andere Seite, versuchen im besten Fall dieses Dilemma zu ignorieren. Im schlimmeren Fall beziehen sie unausgesprochen die Position des russischen oder des deutschen Diktators. Und so bleibt der 22. Juni 1941, was er damals schon war: Ein tragischer Tag für Europa.

Sonntag, 13.Juni 2021
Wie der Neid der Medien Annalena Baerbock das Genick bricht

Soviel ist sicher: Die Geschichte der Kanzlerkandidatur der Annalena Charlotte Alma Baerbock wird nie mehr werden als die Geschichte einer missglückten Kandidatur. Und der Mainstream selbst hat dafür gesorgt. Zwar war es das Netz, das, nachdem die Medien Baerbock praktisch schon zur Kanzlerin gekürt hatten – »Alle 11 Minuten verliebt sich ein Journalist in Annalena Baerbock« – Unstimmigkeiten in ihrem Lebenslauf hoch gespült hat. Nur! Das hätte niemals gereicht, sie zu stürzen.

Sicher, die Details, die Hadmut Danisch ans Licht gefördert hatte und die unprofessionelle Handhabung der Korrekturen durch jene Grünen, die Zugriff auf Baerbocks Home-Page hatten, hätten ein paar kleine Kratzer an der pausbäckigen, seifenblasenden Dame hinterlassen. Aber zum Desaster wurde alles erst, als die Journalisten des Mainstreams sich nicht mehr zurückhalten konnten. Sie begannen, zunächst knapp, zu schreiben.

Denn Hadmut Danisch hatte eine potentielle Nachricht auf den Markt in einer Kleinstadt getragen. Dort hatte sie sich zuerst gut und dann blendend verkauft. Mit Sicherheit ist die Zahl der Klicks auf seine Website in die Höhe geschossen. Der Erfolg sprach sich rum und erreichte irgendwann als Gerücht die Märkte der großen Städte. Das aber weckte Neid.

Die Journaille bei FAZ, taz und Spiegel mag bis unter die Halskrause politisch links-grün sein – aber etwas anderes ist ihnen noch wichtiger, als der Erfolg der Grünen bei einer Wahl und sei es auch die Bundestagswahl: Der eigene Erfolg als Schreiber auf dem Medienmarkt.

Da lag sie nun, die lecker riechende Nachricht, die von einem unbekannter Blogger im Zustand eines lizenzfreien Häppchens präsentiert worden war. Sie war noch nicht groß. Aber sie konnte groß werden. Und sie war aktuell, denn die Grünen sorgten mit ihren laienhaften Änderungen permanent dafür, dass sie duftend warum blieb. Das war zu verlockend.

Und als die Nachricht von den Änderungen am Lebenslauf im Grund gerade anfing, abzukühlen – hätten sie doch nur noch ein, zwei Tage gewartet –, da griffen sie zu und trugen die köstliche Speise als eigene Kreation selbst auf den Markt. Welt und FAZ wiederholten teilweise wortwörtlich, was Hadmut Danisch schon 14 Tage zuvor auf seinem Blog genüsslich berichtet hatte. Sie holten sich ihr Stück von dem Kuchen. Wer will als Journalist nicht später seinen Enkeln erzählen können: »Ich habe eine sichere Kanzlerin durch meine Meldung verhindert.«

Richtig! Da kann kein Schreiberling widerstehen. Ich könnte es auch nicht.

Allerdings stehe ich, anders als die Journaille, Annalena Baerbock auch politisch nicht nahe. Doch den grün-roten Redakteuren ist das Hemd näher als die Jacke. Sie nutzten die Gelegenheit, sich auf Kosten der Kandidatin zu profilieren. Teilweise gaben sie sich als die aus, die Baerbock enttarnt gehabt hätten. Schamlos verschwiegen sie den Urheber der Enthüllung. Ein Wettstreit unter Plagiatoren setzte ein.

Im Endeffekt rollte nun eine zweite Welle über die Kanzlerkandidatin der Grünen hinweg. Und diesmal beteiligte sich der versammelte Mainstream. Selbst die taz ließ es sich nicht nehmen, von »unprofessionellem« Vorgehen der Grünen zu schreiben. Die im April noch Gelobte stürzte ab und sie wird auch nicht wieder nach oben gebracht.

Denn nun lauert nicht nur Hadmut Danisch auf neue Fehler. Das gesamte Netz lässt keinen Stein auf dem anderen stehen, um am nächsten Morgen mit einer neuen Nachricht zu punkten. Recht so! Denn das ist die eigentliche Aufgabe von Redakteuren. Hat Frau Baerbock auch nur eine weitere Lüge oder Hochstapelei in ihrem Lebenslauf eingebaut, dann sollten die Grünen in den sauren Apfel beißen und Annalena Baerbock zum Rückzug bewegen. Weil, soviel ist sicher: Jetzt findet die Meute alles und jedes. Hadmut Danisch hat erst gestern und vorgestern die nächsten Unstimmigkeiten gefunden.

Am Ende haben Neid und mediale Konkurrenz die Kandidatur der Annalena Baerbock fürs Kanzleramt zunichte gemacht. Die Macht der Medien mag also, anders als die der politischen Institutionen, unkontrollierbar sein. Sie können einen inkompetente, weder besonders attraktive noch besonders intelligente Frau zur Kanzlerkandidatin erheben – aber trotzdem unterliegen auch sie den niederen Instinkten wie Geltungs- und Profilierungssucht. Denn auch das sollte klar: Keiner der Redakteure der Journaille schrieb auch nur einen Artikel gegen Frau Baerbock, weil er aufklären wollte. Sie alle waren vom Neid auf den Blogger vom Lande getrieben.

Die Freude über diesen vom Mainstream angerichtet Schaden darf insbesondere Hadmut Danisch genießen.

Dienstag, 8.Juni 2021
Der Pyrrhus-Sieg des Mainstreams in Sachsen-Anhalt

Die Überschriften am Morgen nach der Wahl lauten alle ähnlich: CDU siegt über die AfD. Und auch in der AfD waren viele enttäuscht. Doch unter der Niederlage schaut eine gewaltige Verschiebung hervor.

Man sollte denken, es sei so einfach, wie es sich der Mainstream heute gemacht hat: Die CDU hat in Sachsen-Anhalt nach einer beispiellosen Hetzkampagne von Medien und Politik gegen die Alternative für Deutschland die Landtagswahl mit 37,1 Prozent gewonnen. Der Verlierer, die AfD, erhielt 20,8 Prozent.

Diesen Wahlsieg der CDU muss man anerkennen. Und es täte der AfD gut, schon weil es sportlich ist, dem Sieger einfach zu gratulieren, statt mit den Zähnen zu knirschen. Denn die Überschriften suggerieren nicht nur: Die CDU hat gegen die AfD gewonnen. Sie sagen auch: Die Wahl in Sachsen-Anhalt war ein Zweikampf der beiden stärksten Parteien des Landes. Alle anderen blieben, bis auf die Linke, klar unter 10 Prozent; und die Linke liegt nach einem Desaster auch nur knapp drüber.

Das heißt zwar für dieses Mal noch: Die CDU kann sich einen Koalitionspartner aussuchen und dann nach Gutdünken regieren. Das ist ihr Sieg. Und zur Erinnerung: Der große griechische Feldherr Pyrrhus hatte bei seiner Expedition nach Süditalien ebenfalls die ersten Schlachten gegen die Römer gewonnen bis er erkannte: »Noch so ein Sieg und wir verlieren den Krieg.«

Und so wird die Union auch die nächsten Wahlen in Ostdeutschland für sich entscheiden. Aber bei jeder Wahl ist ihr einziger Gegner die AfD. Sie ist ihr Gegner in der Zukunft. Ja, mehr noch und das ist entscheidend: Die AfD ist ihr einziger Gegner. Denn die anderen Parteien werden zu Steigbügelhaltern der christdemokratischen Ministerpräsidenten degradiert. Und als solche werden die Wähler sie sehen.

Was das auf Dauer heißt, lässt sich schnell sagen: Die AfD wird als einzige Opposition auftreten können und die Parteienlandschaft in Ostdeutschland in zwei Blöcke geteilt. Ist das aber erst einmal geschehen, ist die AfD etabliert und alle Medienmacht des politisch korrekten Staates wird sie nicht mehr aus den Parlamenten vertreiben. Läuft es mit den medial an die Macht gebrachten Christdemokraten einmal nicht mehr so gut, weil Verteilungskämpfe nach all den Steuer- und Abgabenerhöhungen angesagt sind oder die CDU ihrem Koalitionspartner mehr gab, als es ihrem Image gut tat – dann wählen die Wähler die einzige verbliebene Opposition: Die AfD.

In diesem Prozess muss und wird sich die AfD sehr bald gerade auf kommunaler Ebene als Partei der Bürger beweisen. Auch deshalb wird sie zwischen Werra und Oder, Ostsee und Riesengebirge zur konservativen Kraft, die ohne links-grüne Hilfstruppen auskommt und daher auch wirklich konservativ auftreten kann. Die Bürger werden es ihr am Wahltag danken.

Und dieser Prozess wird sich aus einem wahltechnischen Grund sehr bald beschleunigt: Auf die vier Parteien Linke, SPD, FDP und Grüne verteilen sich mit jedem Sieg von CDU und AfD immer weniger Stimmen. Schon bei dieser Wahl erhielten AfD und CDU 4 Prozent mehr als vor vier Jahren, nämlich zusammen etwa 58 Prozent. Damit bleiben 42 Prozent für die anderen vier, die sie nicht einmal erreichen, weil die ganz Kleinen auch etwas holen. Bekanntlich macht Kleinvieh auch Mist. Und in diesem Fall wird es wirklich mistig. Denn früher oder später fliegen ein oder zwei der noch nicht ganz Kleinen ganz raus.

Am Ende entsteht in Ostdeutschland ein Zwei-Parteien-System. Keine der beiden Parteien ist links. Und nur eine von beiden wird die Mehrheit erlangen. Ob das immer die Christdemokraten sind, wird sich zeigen. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Irgendwann wird die AfD auch einmal gewinnen. Von ihren Kinderkrankheiten genesen wird sie regieren wie Konservative eben regieren.

Der Sieg über die AfD von vorgestern Abend erfüllt alles, was einen Pyrrhussieg ausmacht: Durch die vielen Siege verlor Pyrrhus am Ende den Krieg gegen die Römer und eine neue Seite in der Geschichte wurde zu schreiben begonnen.

Donnerstag, 3.Juni 2021
Lieber Herr Josef Schuster,

Lieber Herr Josef Schuster, Lieber Zentralrat der Juden,

In der Jüdischen Allgemeinen warnen Sie vor einem Wahlerfolg der AfD in Sachsen-Anhalt. Würde die AfD vor der CDU zur stärksten Partei im Landtag in Magdeburg, »wäre das wirklich fatal«.

Ich bin seit dem Sommer 2016 Mitglied der AfD. Als vor zwei Wochen eine Woge des Antisemitismus durch Deutschland ging, nachdem Israel begonnen hatte, sich gegen den Raketenbeschuss aus Gaza zu wehren, habe ich die Landesfahne Israels auf meinen Balkon gestellt.

Als ich ein Foto an die Parteikollegen versandte, erhielt ich unter andrem zur Antwort: »Bei aller Sympathie trage ich keine Israel-Fahne, schließlich würden wir aus Israel und vom Zentralrat«, also ich vermute auch von Ihnen, »als Nazis beschimpft«. Meine Antwort war: »Ist es verwunderlich, dass Juden besorgt sind, wenn eine rechte Partei in Deutschland erstarkt ? – Für mich nicht. Ich kann die Juden verstehen.«

Die Flagge Israels flattert weiter auf meinem Balkon. Und ich kann die Sorgen der Juden in Deutschland vor den Wahlerfolgen der Alternative für Deutschland verstehen. Und trotzdem – denn Verstehen heißt nicht für richtig befinden – trotzdem zeigt Ihre Haltung, dass Sie einen Fehler begehen, den die Juden gerade in Deutschland zu oft begingen und bitter bereuten: Sie erkennen nicht, wo die wirkliche Gefahr für die Juden tatsächlich lauert.

Dabei will ich nicht einmal leugnen, dass Antisemitismus in der AfD einen Platz hat. Diese Pest gibt es in jeder deutschen Partei: Bei den Grünen mehr als bei den Sozialdemokraten, bei den Sozialdemokraten wahrscheinlich mehr als bei den Christdemokraten. Am meisten aber bei den Freidemokraten und ganz zuvorderst bei den Linken. Würden Sie, Herr Schuster, aber eine Umfrage starten: »Haben die Israelis ein Recht sich gegen die Araber in Gaza und im Westjordanland zu verteidigen?« – Ja, dann würden Sie ein buchstäblich blaues Wunder erleben. Denn ich bin sicher: Die meisten Ja-Stimmen fänden sich anschließend in der AfD.

Und nun frage ich Sie: Wo sitzen wohl die Antisemiten? – In einer Partei, für die das Existenzrecht Israels selbstverständlich ist, ohne dass ihre Mitglieder bis in die Spitze hinein zugleich den arabischen Antisemitismus hofieren? Oder in einer Partei, die Landkarten ohne Israel zeigt und zum Boykott israelischer Waren aufruft? – Die Antwort erschließt sich wohl jedem.

Wie gesagt: Antisemitismus ist eine Pest. Und er ist in jeder Partei virulent. Ihnen, Lieber Herr Schuster, erschließt er sich jedoch nur in der Alternative für Deutschland. Deshalb appellieren Sie an die CDU in Sachsen-Anhalt, sowohl eine Koalition mit der AfD als auch eine Tolerierung durch diese Partei klar auszuschließen. Und dann sagen Sie in etwa: Diese rote Linie dürfe nicht überschritten werden. Eine bezeichnende Wortwahl. Offenbar stört Sie eine Koalition mit der Linken nicht wirklich.

Und doch ist es diese Linke, die in der Tradition des Ziels der Vernichtung Israels steht. Zu Ihrer Erinnerung: Es war die DDR, die mit Waffenlieferungen an die arabischen Staaten zu jedem Versuch, Israel zu vernichten, beitrug. Es war die SED, die ihre Reihen von Juden säubern ließ.

Trotzdem, Herr Schuster, warnen Sie nicht vor der Linken. Sie warnen vor der Alternative für Deutschland. Sie warnen davor, die Demokratie wäre gefährdet, wenn die AfD in Sachsen-Anhalt stärkste Partei wird. Doch einmal abgesehen davon, dass eine AfD mit 25 Prozent noch immer nicht einmal Änderungen an der Verfassung aufhalten kann – in Görlitz erreichte der Kandidat der AfD für das Bürgermeisteramt fast 45 Prozent. Haben Sie seither vom Ende der Demokratie in Görlitz gehört ? Gibt es besonders viele antisemitische Anschläge in der ostsächsischen Stadt ? Wurden in Görlitz israelische Fahnen verbrannt ? Wurde vor der gerade neu eröffneten Synagoge in Görlitz »Scheißjuden« skandiert ? – Nicht, dass ich wüsste!

Aber das geschah in Berlin, in Duisburg, in Münster und in Gelsenkirchen, in Köln, in Düsseldorf und in... Die Liste ist lang. Ostdeutsche Städte sind darunter nicht.

Lieber Herr Schuster, Sie wissen so gut wie ich, warum der neue und wirklich gefährliche Antisemitismus nicht im Osten des Landes, sondern im Westen grassiert. Er wurde von jenen Parteien ungehemmt nach Deutschland geholt, auf die Sie scheinbar vertrauen, und nennt sich radikaler Islam.

Ich kann nicht in die Zukunft blicken. Aber ich fürchte, die große Gefahr für die Juden in Deutschland sind nicht die paar Antisemiten in der AfD, sondern die Antisemiten, die in einigen Stadtteilen westdeutscher Großstädte schon jetzt weitaus mehr als 25 Prozent der Einwohner stellen. Das ist leider Fakt. Und die Juden in Deutschland würden gut daran tun, das endlich klar zu erkennen.

Doch Sie warnen, aus, wie zu Anfang gesagt, verständlichen Gründen, vor der AfD. Denn sie ist eine rechte Partei. Auch ich bezeichne mich als rechts-liberal. Mit dieser Warnung in die verkehrte Richtung bringen Sie sich und die Juden in Deutschland in ernste Gefahr. Denn seien Sie versichert: Grüne und SPD, Union und Linke werden abwiegelnd reagieren und wie Senator Geisel aus Berlin deeskalieren, wenn ihre importierten Antisemiten demnächst noch härter zuschlagen werden. Sie stellen sich so wenig vor die Juden wie Außenminister Maas für Israel eintritt.

Vielleicht haben Sie, Herr Schuster, ja einfach nur Angst. Eine verständliche Angst; die Angst, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Vielleicht klammern Sie sich deshalb an den Strohhalm unbedingter Treue zum Merkel-Regime. Weil Sie wissen, dass die Tage der Sicherheit für Juden in Deutschland vorbei sind. Und das liegt nicht an der AfD und auch nicht an den Bürgern aus dem Osten des Landes.

Doch wie gesagt, ich kann Sie verstehen.

Vor einer Woche tönte auf einem Wahlstand der AfD ein Parteikollege, die Juden und Deutschen hätten eines gemeinsam: Den Hass auf sich selber. So gesehen, setzte er fort, wärem die Juden und Deutschen Anfang der 1940er Jahre gar nicht so verschieden gewesen. Ich hörte kurz zu und blaffte ihn an: »Was redest Du für einen Scheiß!« – Er war zuerst still. Danach kam es zu einem Gespräch. Und ich hoffe nun auf das Beste.

Lieber Herr Schuster, vielleicht sollten Sie, ähnlich wie ich zu den meinen, zu denen gehen, die Sie auf der Seite der deutschen Juden erwarten. Benennen Sie den Antisemitismus, der dort grassiert, statt meine Partei zu diffamieren, nur um mit den Wölfen zu heulen. Das wäre mutig. Das wäre hilfreich.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten Abend.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Wolfgang Hebold

Sonntag, 30.Mai 2021
Sascha Lobo oder: Die Impf-Horde präsentiert ihren Zynismus

Im Grund enthält die Kolumne, die Sascha Lobo im Spiegel schreibt, inhaltlich nie wirklich Neues. Und im Grund verdient eine Kolumne auch keinen Kommentar. Kommentiert werden Meinungen besser durch die Leser vor Ort. Aber diese Kolumne hat es in sich, denn sie schlägt einen völlig anderen Ton an; einen Ton, den es in der Pandemie bisher so noch nicht gab.

Seit weit über einem Jahr werden die Grundrechte der Bürger von Politikern und Wissenschaftlern, die sich dem Staat verschrieben haben, mit Füßen getreten. Systematisch wird das Recht auf freie Meinung durch Dauerpropaganda unterminiert und mit Hilfe der Nutzungsrechte diverser Konzerne anschließend beseitigt. Systematisch wird das Recht auf Bewegungsfreiheit durch die Behörden beschnitten und die Beschränkung mit Hilfe der Polizei durchgesetzt. Systematisch wird großen Teilen der Bevölkerung das Recht auf die Ausübung ihres Berufes genommen. Und alles mit dem Hinweis auf ein anderes Grundrecht: Die körperliche Unversehrtheit des einzelnen Bürgers.

Doch nun wird mit der Impfkampagne auch dieses Grundrecht beseitigt. Noch nicht ganz. Denn noch existiert keine Impflicht. Aber wer 12-Jährige zur Impfung drängt und vor der Impfung gesunder Kinder nicht zurückschreckt, wird auf kurz oder lang den Bürger auch zur Einnahme dirverser Vakzine verpflichten – egal, wie gründlich getestet worden ist oder auch nicht.

Das ist alles nichts Neues. Auch Sascha Lobo weist darauf hin. Und dass er die üblichen Floskeln vom »wissenschaftlichen Konsens« auftischt, ist mit seiner intellektuellen Dürftigkeit leicht erklärt. Wenn man Wiki vertrauen darf, hat er Vorlesungen über Publizistik und Biotechnologie gehört und ein Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin abgeschlossen. Völkerrechtler ist er offenbar nicht.

Aber er hat eine Eigenschaft, die sich gerne mit Dummheit paart und die führt zu seiner Kolumne: Sein Zynismus.

Während Regierungsvertreter und regimetreue Medien die Auflösung der Grundrechte dem Bürger weiterhin als im Rahmen der Grundrechte bleibend versuchen schmackhaft zu machen, ergreift Lobo einen völlig anderen Ton. Er stellt sich gegen das, wie er es nennt, »Absingen pathetischer Freiheitslieder und Freiwilligkeitshymnen« und fordert Klartext zu reden. Man sollte aufhören, »so zu tun, als hätten Ungeimpfte keine Nachteile zu befürchten. Denn sie werden Nachteile haben.« Um zu ergänzen: »Allerdings kann ich nicht sagen, dass ich mit übergroßem Furor dagegen kämpfen möchte.«

Unmissverständlich spricht er aus, was wahrscheinlich viele Politiker und Virologen längst denken: Die kalte Impfpflicht wird kommen. »Sie« – diese kalte Impfpflicht – »wird in jedem Fall ein so interessantes wie vielsagendes Beispiel für eine harte Form der angewandten Mehrheitsherrschaft: Wir verlangen von dir, dass du dir etwas spritzt, damit wir nicht zu Schaden kommen.« Ich will den Satz gar nicht erst ergänzen zu: »dass du dir was spritzt, damit wir nicht zu Schaden kommst«, sondern du. Ich will auch nicht darauf verweisen, dass das Grundgesetz 1949 genau diese Art von Mehrheitsherrschaft nach der Nazi-Mehrheitsherrschaft begrenzen sollte.

Ich will nur eines betonen: Dass hier einer den Standpunkt der zynischen Machthaber übernimmt. Es ist also auch kein Wunder, dass Lobo »Ausgrenzung« für ein »hartes, aber sinnvolles gesellschaftliches Instrument« hält. Und wie gesagt: Merkel und Genossen sehen das mit Sicherheit ähnlich. Aber sie sagen es nicht.

Aber genau das macht den Unterschied aus, den Lobo nicht sieht. Der Schlächter, der hereinkommt und den Schafen das Messer nicht zeigt, ist nicht nur nicht schlechter, als der Schlächter, der sich mit seinem Messer gnadenlos nähert – er ist dem Schlächter sehr ähnlich, der den Moment genießt und auskosten möchte, wenn die Schafe das Messer zu sehen bekommen.

Die Lust des Machthabers an seiner Macht wurde vielfach beschrieben. Sie auszutoben war immer das Zeichen für den Übergang in die letzte Stufe totalitärer Herrschaft: In das System von Sadisten. Denn zuvor steht noch immer die ungestörte Ausübung und Aufrechterhaltung der Macht im Vordergrund. Die Opfer werden bis zum letzten Moment über die wahren Absichten des Mörders getäuscht, damit sie sich nicht – sei es aus reiner Verzweiflung, sei es aus der Erkenntnis, doch eine Mehrheit zu sein – der Mörder gewaltsam erwehren. Ruhe bewahren ist die erste Pflicht auf der Rampe.

Rücksichtslose Offenheit bei der Machtausübung beschreibt diesen neuen Zustand, den Sascha Lobo als »ehrlich« anpreist. Es werden Gesetze erlassen, die man vorher nur vorsichtig andeuten ließ. Wer sich anschließend immer noch weigert, dem werden die Kinder entrissen. Zuletzt wird er erschlagen oder sie als mit anderen Hexen verschworene Hexe verbrannt – nicht ohne zuvor die Folterinstrumente offen präsentiert zu bekommen, um die Angst der Opfer so recht zu genießen. Mehrheitsherrschaft nennt man das. Mehrheitsherrschaft, die auf Ausgrenzung baut. Impf-Horde ist heute das passende Wort.

Klar, dass die Täter ihre Offenheit als »ehrlich« verkaufen. Irgendwas was Gutes muss sie ja haben, die Freude an der Ausübung eigener Macht. Doch genau das ist sie nicht: Ehrlich. Der Sadist hat keine Ehre. Er kennt nur die Lust am Quälen deren, die sich die Mehrheit zum wehrlosen Opfer ausgewählt hat. Denn auch das muss sein: Die Mehrheit, die sich ohne eigenes Risiko an den Wenigen, die sich ihr nicht unterwerfen, vergreift.

In dieser Lust an der Mehrheitsherrschaft wird der tiefere aber immer schon sichtbare Sinn des typischen Punker-Outfits wie Sicherheitsnadeln, Stachelhalsband, Irokesenhaarschnitt und des Krachs, der als Musik verkauft worden ist, endlich deutlich: Er verweist auf den latenten Drang, andere quälen zu wollen.

Sonntag, 23.Mai 2021
Der ›Globalist‹ – Eine Vokabel linker Hütchenspieler

Mit unschöner Regelmäßigkeit zaubern die Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft neue Bedeutungen für alte Worte aus ihren Hüten hervor. Und das immer gerade so, dass sie sich zur Diffamierung des politischen Gegners gut eignen. Diesmal heißt das Wort ›Globalist‹.

Im links-orientierten intellektuellem Hassmilieu versteht man darunter nicht etwa das globalisierungskritische online-Portal gleichen Namens, sondern eine Chiffre von Rechtsradikalen für Juden oder auch eine jüdische Verschwörung. Und nicht nur im linken. Selbst die der CDU nahestehende Konrad-Adenauer-Stiftung versucht sich an dieser Art von Redefinition und beruft sich dabei auf pseudo-wissenschaftliche Arbeiten, an denen auch ein ehemaliger Mitarbeiter des Verfassungsschutzes mitgewirkt hat.

Die Methoden erinnern an die Hütchenspieler, die am Brandenburger Tor Touristen auflauern. Was denen die Hütchen sind den Experten beliebige Worte, die sie so lange mit einer neuen Bedeutung belegen, bis etwas herauskommt, was ihnen passt. Im Originalton: »Im von Rechtsextremisten international verstandenen Code«, »sind ›Globalisten‹ auch ›Ostküste‹, ist der ›Globalismus‹ auch ›New World Order‹ (NWO), und sind die in diesem ›Globalisierungsplan‹ verwickelten Regierungen und Eliten auch ›Zionist Occupied Government‹«.

Alle die Worte sind den Experten zufolge Chiffren. Chiffre ist ein anderes Wort für Geheimschrift. »Die Chiffre ›Ostküste‹ steht in neonazistischer Terminologie« für New York und wird nur von Neonazis verstanden. Und natürlich von den Experten für Rechtsextremismus.

Nun weiß jeder, der sich jemals mit Verschlüsselung beschäftigt hat, dass eine Geheimschrift nur für die Außenstehenden wirklich geheim ist. Die Insider besitzen Codetabellen, mit denen sie ihre Schlüsselworte in Klartext verwandeln. Und die Aufgabe der Kryptographen ist es, die Geheimschrift ohne Codetabelle möglichst schnell und möglichst exakt zu zu entziffern.

Und hier kommt der erwähnte Rechtsextremismusexperte ins Spiel. Er behauptet, bestimmte Worte hätten unter Rechtsextremisten eine bestimmte Bedeutung. Ja, mehr noch: Jeder, der diese Worte verwendet, verwende sie ebenfalls in dieser geheimen Bedeutung. Jeder der ›Globalist‹ sagt, wird also eigentlich ›Ostküste‹ meinen und damit New York.

Dieses Hütchenspiel der Bedeutung verfolgt einen einfachen Zweck: Dem Sprechenden werden nach Belieben Aussagen untergeschoben. Wenn also Hans-Georg Maaßen irgendwo ›Globalist‹ sagt, wird er ›Ostküste‹ meinen und damit New York. ›Ostküste‹ steht nun aber nicht nur für New York, sondern auch für »das angebliche Zentrum des jüdisch beherrschten Weltkapitals.« Der Rest ist schnell erledigt: Wer ›Ostküste‹ sagt, meint ›Zentrum des jüdisch beherrschten Weltkapitals‹ und ist damit ein Antisemit. Oder er hat ›Globalist‹ oder ›Globalisierung‹ gesagt. Egal wie man es dreht: Der Sprecher ist ein Antisemit.

Und schon erfüllt das Hütchenspiel mit der Bedeutung von Worten seinen Zweck: Der politische Gegner, der ›Globalisierung‹ oder ›Globalist‹ auch nur ausspricht, ist ein Antisemit, ohne jemals ›Jude‹ oder ›Scheißjude‹ gesagt zu haben, wie der türkische und arabische Mob in Gelsenkirchen. Luisa Neubauer, das in den linken Kaderschmieden geschulte Fräuleinwunder, kennt dieses Hütchenspiel aus dem FF und hat es vor einigen Tagen mit Hans-Georg Maaßen gespielt. Und das ist das Perfide an diesem Spiel der Schlapphüte: Es braucht weder ein Codebuch noch irgendwo einen Juden. Es braucht nur Worte wie ›Ostküste‹ oder ›Globalist‹. Schon schnappt die Falle zu und die Mühlen der Redaktionswerke beginnen zu mahlen.

Nun hat diese Masche zwei ernsthafte Haken: Zum einen fehlt ein Codebuch für den Beweis der neuen Bedeutung, zum anderen werden Begriffe wie ›Globalist‹ und ›Zionist‹ auch von den Aktivisten der eigenen Seite verwendet.

Den ersten Haken muss den Rechtsextremismusexperten nicht kümmern. Die Journaille kommt nicht einmal auf den Gedanken, nach einem Codebuch der Rechtsextremisten zu fragen; ihr reicht die Spekulation, der bloße Verdacht.

Bei dem anderen Haken wird aus der Not eine Tugend gemacht. Weil es keine Codebücher gibt, wird die Rede der Experten für bare Münze genommen. Sie erklären zusätzlich noch den Kontext der vergifteten Worte. Ein Linker, der ›Globalist‹ sagt, ein Grüner, der ›Zionist‹ sagt – sie sind keine Antisemiten. Ja, selbst wenn ein Moslem ›Scheißjude‹ brüllt, hat das mit Antisemitismus nichts zu tun. Es braucht einen rechten Politiker, einen rechten Journalisten, um aus der Rede vom ›Globalist‹ eine antisemitische Wendung zu machen.

Damit erreicht die Redefinition der Bedeutung einen neuen Gipfel der Perversion. Während rechte Kritiker das Wort ›Globalist‹ ohne jeden Bezug zu ›Jude‹ oder ›jüdisch‹ verwenden, können linke und grüne Aktivisten die Worte ›Zionist‹ oder ›zionistisch‹ verwenden, ohne antisemitisch zu sein und das, obwohl diese beiden Worte ohne einen jüdischen Hintergrund bedeutungslos werden.

Fakt ist: Solange kein Codebuch vorliegt kommen als antisemitische Chiffren nur Worte in Frage, die irgendwann überwiegend auf Juden verweisen. ›Globalist‹ gehört sicher nicht in diese Kategorie und ›Ostküste‹ ebenfalls nicht. Aber ›Zionist‹ und ›Apardheitsstaat Israel‹ gehören ganz sicher hierher. Und auch, wenn jemand ›Kindermörder Israel‹ sagt oder schreibt oder postet. ›Zionist‹, ›Apardheitsstaat Israel‹, ›Kindermörder Israel‹ – das sind die Chiffren linker, grüner und islamischer Antisemiten. Wer sie ausspricht, bedient sich ihrer und muss es ertragen, sich Antisemit nennen lassen.

Samstag, 17.April 2021
Merkels Zwang zum Test in den Schulen ist inhuman

Der zum Teil bereits umgesetzte, zum Teil angedrohte, zum Teil aber auch erst diskutierte Zwang, die Kinder in der Schule auf Covid testen zu lassen, verstößt nicht nur gegen die im Grundgesetz garantierten Menschenrechte – das tut er auch –, er ist darüber hinaus aber vor allem eines: zutiefst inhuman. Und damit offenbart er den Charakter der Regierenden; er lässt tief in die Seele der Politiker blicken.

Dem Zwang, die Kinder in der Schule testen zu lassen, fehlt jeder Nutzen, ausdrücklich dem Zwang. Ob der Test einen Zweck erfüllt, steht auf einem anderen Blatt und hier nicht zur Debatte. Aber der Zwang, die Kinder in der Schule von Lehrern testen zu lassen, ist zunächst einmal so wenig nötig wie der sprichwörtliche Kropf. Ebenso gut können die Eltern ihre Kinder vor der Schule zu Hause testen und ihnen das Resultat in die Schultasche stecken. Dann weiß die Schule Bescheid.

Doch genau das wollen die Regierenden nicht. Sie erwarten, dass die Kinder von ihren Eltern getrennt in der Klasse den Selbsttest durchführen lassen. Weil sie den Eltern nicht trauen. Sie trauen den Eltern nicht zu, dass sie den Test mit ihren Kindern durchführen, doch noch mehr trauen sie den Eltern zu, dass sie ihre Kinder mit einem positiven Befund zu den anderen Kindern losschicken. Dass hier mal nicht jemand von sich auf andere schließt.

Weil die Politiker den Eltern nicht trauen, installieren sie ein Prozedere, das den einzelnen Lehrer dazu verpflichtet – ja, auch die Lehrer werden zum Testen verpflichtet –, ein gutes Dutzend Kinder dabei zu begleiten, wie sie sich ein Teststäbchen vier Zentimeter tief in eines ihrer Nasenlöcher bohren, ohne sich dabei zu verletzen. Dazu werden die Kinder gezwungen.

Hat sich auch nur eines der Kinder verletzt, wird die ganze Aufmerksamkeit des Lehrers auf dieses Kind konzentriert sein. Was mit den anderen Kindern geschieht, ist einer Politik, die derartige Maßnahmen verhängt, vollkommen egal.

Wenn dann die Kinder auf die Ergebnisse warten, findet mit Sicherheit kein Unterricht statt. Denn die Kinder werden aufgeregt sein. Eine Erkrankung an Covid ist nämlich, so Politiker und Medien tagaus, tagein, nicht eine beliebige Krankheit; es ist eine insbesondere für die Älteren, äußerst bedrohliche Krankheit. Umso bedrohlicher ist sie für Kinder. Nicht als Krankheit. Covid tut bekanntermaßen Kindern weniger als die angekündigte Impfung. Aber als Träger des Virus sind die Kinder ohne Wenn und Aber stigmatisiert. Seltsam, dass dieselben Politiker, die jeden Tag vor der Stigmatisierung anderer warnen, das nicht bemerken.

Kommt dann ein Befund, der positiv ist – niemand redet von Infizierung! –, wird das Kind in Panik versetzt. Keine gespielte, affektierte Panik a la Thunberg. Nein eine richtige Panik. Eine seelische Panik, wie sie jeder erlebt hat, dem ein Arzt eine mögliche Krankheit diagnostiziert hat. Frauen wissen davon, Männer wissen davon, Eltern wissen davon, wenn es ihre Kinder betrifft – nur den Politikern fehlt jede Ahnung von den Ängsten der Kinder. Liegt es daran, weil die oberste Riege Kinder nicht hat, nicht kriegen kann oder anderweitig aufziehen lässt ?

Und just in diesem Moment, wenn die Meldung krankhaft zu sein ein Kind auf den Boden niedergedrückt hat, just in diesem Moment fehlen die tröstenden Eltern. Kein Vater nimmt das Kind auf die Schultern, keine Mutter breitet ihre Arme zum Schutz aus und ganz sicher wird das Kind sich nicht aDf den Schoß des Großvaters setzen oder sich unter die Schürze der Oma verkriechen. Denn sie alle sind weg. Ausgesperrt von Politikern, denen jedes Empfinden für Kinder fehlt.

Schlimmer: Da das Kind den Unterschied zwischen dem positiven Befund eines Tests und dem realen Infekt nicht kennt, egal wie oft der Lehrer ihn ihm erklärt, wird sich das Kind sehr schnell bewusst, dass es eine Gefahr für alle darstellt – auch für die Eltern und insbesondere für die Eltern der Eltern. Und auch dafür fehlt den Politikern und Politikerinnen jedes Empfinden.

Weil ihnen dieses Empfinden fehlt, sind sie bereit, Eltern und ihre Kinder in diesem Moment, wo sie sich mehr denn je brauchen, zu trennen. Eine Geste, die zu den markantesten aller Terrorregime gehörte: Die Kindern werden ihren Eltern entrissen. Auf Bahnhöfen, vor Lagereingängen, an Hinrichtungsstätten hat sich diese grausame Trennung fort und fort wiederholt, ohne je ihr Grauen verloren zu haben.

Politiker, die eine Trennung der Kinder von ihren Eltern in solcher Lage befehlen, haben Pfade betreten, an dessen Ende die Menschlichkeit uns verlässt. Nur wundert das nicht mehr. So sehr haben wir uns an das Inhumane der Corona-Maßnahmen gewöhnt. Denn es waren dieselben Politiker, die auch die Trennung der sterbenden Alten von ihren Nächsten in den letzten Stunden befahlen. Der Zwang zum Test in den Schulen ist nur ein weiterer Schritt in diese Richtung. Er ergreift uns jetzt am beginnenden Leben.

Mittwoch, 7.April 2021
Warum wir das Sterben der Alten nicht sehen

An der Corona-Epidemie ist neben vielem anderen eines besonders seltsam: Dass wir die sterbenden Alten nicht sehen. In einer politisierten Medienlandschaft, die ansonsten keine Gelegenheit auslässt, Opfer zu zeigen, um die Interessen ihrer Lobbygruppen bedienen zu können, fällt das auf. Denn was läge näher, als die Angst der Bürger durch schockierende Fotos aus Intensivstationen zu schüren. Den Feiernden in südtiroler Skihütten zur Abschreckung Bilder der Alten, die auf den Straßen von Wuhan zusammenbrechen und sterben auf ihre SmartPhones zu schicken hätte Wunder gewirkt. Und den Jecken der rheinländischen Karnevalssäle wäre die Lust am Feiern beim Blick in die Kliniken Bergamos, vor deren Türen die Leichen der Alten aufgehäuft werden, wahrscheinlich fürs erste vergangen.

Doch nichts dergleichen geschah oder geschieht. Dabei ist sicher: Würde sich eine Pockenepidemie durch Afrika fressen, würden wir rund um die Uhr mit Fotos und Filmen von leidenden und sterbenden Kindern bedrängt – erinnert sei an die Bilderflut darbender Flüchtlinge, mit denen die Hilfsindustrie sich an die Geldbeutel ihrer Kunden heranmacht.

Als Grund könnten Anhänger von Verschwörungstheorien vermuten, dass es die leidenden und sterben Alten nicht gibt. Eine steile Behauptung und auch eine falsche Behauptung, denn dass die Lage in Wuhan oder in Bergamo dramatisch war, gilt als sicher. Es gab diese Bilder und die Zahl der sterbenden Alten war von Anfang an hoch und ist es bis heute geblieben.

Trotzdem ist Covid eine bilderlose Krankheit geblieben. Covid verharrt in einem medial aseptischen Raum von R-Werten, Inzidenzen und salbadernden Voll- und Scheinvirologen – und das in Zeiten, die vom viralen Video leben. Warum ?

Der Grund dafür, dass wir das Sterben der Alten nicht sehen, ist den Bildermachern, zumindest als Ahnung, bekannt und rein medial ist: Bilder von sterbenden Alten bewegen uns auf ganz andere Art und Weise als Bilder von sterbenden Kindern. Sie können weder Angst noch Panik erzeugen, denn wir wissen, soviel Instinkt ist uns offenbar auch durch alle Moderne hindurch geblieben, das Sterben gehört zum Alter dazu.

Eine sterbende Alte erweckt in uns Trauer, doch Mitleid nur, wenn ihr Sterben selbst uns bewegt. Denn dass sie stirbt, ist unumgänglich. Erst wenn ihre Augen uns beim Sterben bitten, sie sterben zu lassen, ergreift uns ein Schauer. Liegt sie noch dazu unter einem Sauerstoffzelt und geht sie allein gelassen in die Gute Nacht, wird ihr Sterben für uns unerträglich.

Nur, wenn es die eigenen Eltern oder Großeltern sind, reißt der Tod eines Alten eine Lücke ins Leben. Doch es ist eine Lücke, die mit eigenen Erinnerungen und dem weiteren eigenen Leben gefüllt werden kann und uns schließlich erfüllt; ihr Tod erhält für uns einen Sinn.

Nein, Bilder von unter Sauerstoffzelten sterbenden Alten hätten keinem Angst vor der Krankheit gemacht; im schlimmsten Fall für die Mächtigen hätten wir uns gefragt: Wollen wir das ? – Und so wurde weiter in Ischgl und im Rheinland gefeiert. Nicht aus Zynismus. Nicht einmal aus Fahrlässigkeit, denn Covid war und blieb harmlos für Junge.

Als Kanzlerin Merkel zu Weihnachten tränenselig davon sprach, die Hoffnung habe nun Gesicht: Das Gesicht der geimpften Alten. Da hatte sie diesen Instinkt, der offenbar zu uns gehört, vergessen. Denn das Leben einer Frau, die über 100 Jahre alt wurde, noch um ein weiteres Jahr zu verlängern, klingt zu sehr nach Hybris – nach dem Übermut einer Welt, die meint, das Klima steuern und gegen das Sterben impfen zu können. Ich bezweifle, dass die Kanzlerin damit Sympathien gewann.

Im Gegenteil: Im tiefsten Innren spürt wohl jeder im Land, der sich nicht auf die ein oder andere Weise an den Corona-Maßnahmen bereichert, dass beim Umgang mit den Alten etwas nicht stimmt. Wurden die Damen, denen Gott ein biblisches Alter schenkte, jemals gefragt, ob sie für ein weiteres Jahr die Kindheit und Jugend von Millionen Heranwachsenden aufs Spiel setzen wollen ? – Niemand hat sie gefragt. Niemand wollte sie fragen. Denn die ganze Kampagne, das ganze System der Corona-Maßnahmen wäre mit der Antwort in sich zusammengebrochen.

Ich bin sicher, wie die Antwort der meisten Alten ausfallen würde: Sie gingen mit einem Ausdruck tief verletzter Scham in den Tod, wenn sie wüssten, was die Verlängerung ihres Lebens mit ihren Enkeln und Urenkeln macht. Und das macht die Fotos von Politikern, die sich mit geimpften Alten brüsten und feiern lassen, zu einem Dokument der Schamlosigkeit. Denn sie sind es, die den Alten das antun.

Der Film »I, Robot« dreht sich um eine einzige Szene fast gegen Schluss. Will Smith, ein Polizist, dem Roboter aus guten aber bis dahin unbekannten Gründen suspekt sind, erinnert sich an einen Autounfall. Zwei Wagen versinken; er sitzt im einen; ein junges Mädchen im andren. Ein Roboter taucht zu den beiden Wagen hinunter und rettet Will Smith, weil seine Überlebenschancen die größeren sind. Das empört ihn immer wieder von neuem, denn er weiß: Seine Chancen mögen größer gewesen sein, als die des Mädchens: »Aber sie hatte ihr Leben noch vor sich.«

Wir wissen das und deshalb lassen sich Bilder von sterbenden Alten nicht politisch verwenden. Deshalb bekommen wir die sterbenden Alten seit einem Jahr nicht zu Gesicht. Die Alten wissen das auch. Und daher sollten die Kinder und Jugendlichen, wenn sie dereinst fragen, wer ihnen Kindheit und Jugend geraubt hat, sich nicht an den Alten und ihren Idealen und ihren Ideen, ihren Vorlieben und ihren Lieben vergreifen. Sie sollten ihnen verzeihen. Denn sie wussten nicht, was sie tun.

Samstag, 3.April 2021
Klima-Diktatur oder: Die Machtergreifung bei Stromausfall und Waldbränden

Dass eine deutliche Mehrheit der deutschen Politiker die Grundrechte zu Grabe tragen möchte und es auch tut, sofern ihnen Richter keine Steine in den Weg legen können, ist unbestreitbar. Unterschiedslos fordern Mitglieder fast aller Parteien des Bundestags Zwangsimpfungen, Reisebeschränkungen und Ausgangssperren mit einer Selbstverständlichkeit, wie man sie nur aus Diktaturen kennt, also eher vom Hörensagen.

Doch all diese Forderungen werden mit einem doch immer auch guten gemeinten Grund ausgesprochen: Es geht um die Gesundheit der Bürger. Ein Argument, dem, würde es bei Covoid-19 stimmen, so gut wie jeder zustimmen würde. Wäre Covid-19 die Pest, bestünde Einigkeit über den Nutzen des Lockdowns.

Mit diesem Ansatz hat der ehemalige Innenminister Deutschland nun gebrochen. Was eigentlich nur verwirrte Verschwörungstheoretiker zu glauben scheinen, Thomas de Maizière hat in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Grund geliefert, dass auch Kritiker der Regierung, die sich an dem orientieren, was landläufig Fakten nennt, erkennen können, das seit einem Jahr in Deutschland noch ein ganz anderes Spiel auf dem Plan steht, wenn auch nicht offiziell: Die systematische Abschaffung der verfassungsmäßigen Rechte. Und gleich vorweg: Es ist kein Aprilscherz. Das Gespräch erschien erst am Zweiten.

Die Pandemie, wie wir sie dieser Tage erleben, liefert für den ehemaligen Innenminister nur die Vorlage für ein Schema, nach dem in Zukunft regiert werden soll: Der Ausnahmezustand. Dessen Regelung will der CDU-Politiker neu gestalten und dafür das Grundgesetz ändern. Sein Konzept begründet er mit den Schwächen der gegenwärtigen Entscheidungsverfahren, zu denen er die Ministerpräsidentenkonferenz zählt, die für »Normalfälle« gut sei, aber zu umständlich und zeitaufwändig an Probleme herangeht. Statt dessen brauche man Tempo, Verbindlichkeit und klare Verantwortlichkeiten.

Nach Carl Schmitt ist souverän, wer den Ausnahmezustand erklären kann und zudem definiert. Das scheint auch de Maizière zu wissen und deshalb liefert er auch gleich hinterher, wann denn der Ausnahmezustand erklärt werden sollte. Wer nun Hinweise auf tödliche Krankheiten oder drohende Meteoriteneinschläge erwartet, sieht sich getäuscht.

Nein, den Ausnahmezustand will der ehemaligen Innenminister zum Beispiel ausrufen lassen bei Cyberangriffen. Mit anderen Worten: Wenn Herr Altmaier in all seiner digitalen Inkompetenz irgendwo einen Cyberangriff vermutet und die anderen digitalen Fachleute aus der Regierung von sich überzeugt, dann sind die Grundrechte des Bürgers passe; dann regiert Angela Merkel oder womöglich demnächst Annalena Baerbock einfach durch.

Und de Maizière hat noch mehr auf seiner Liste möglicher Ausnahmesituationen, die ein Aushebeln der Grundrechte zulassen würde: Länderübergreifende Waldbrände. Schwer zu sagen, wann das letzte Mal in Deutschland Waldbrände wüteten, die mehrere Bundesländer erfassten und nicht mehr kontrolliert werden konnten. Ich kann mich an keine erinnern. Oder meint der CDU-Politiker mit länderübergreifend Flammen, die Tschechien und Polen erreichen? – Schwer zu sagen. Aber für den Ausnahmezustand kann man auf diesem Weg ja doch schon einmal sorgen.

Das Beste hat de Maizière aber für den Schluss aufgehoben. Denn auch bei Stromausfällen will der ehemalige Innenminister den Ausnahmezustand ausrufen lassen. Und damit lässt er die Katze aus dem Sack. Stromausfälle sollen den Verlust der Grundrechte des Bürgers begründen. Natürlich könnte man auch hier auf die Seltenheit von Stromausfällen in Deutschland verweisen. Doch wie jeder weiß, drohen Stromausfälle im Zuge der Energiewende praktisch täglich.

Um es deutlich zu sagen: Der ehemalige Innenminister und CDU-Politiker Thomas de Maizière will die negativen Folgen der Energiepolitik seiner Kanzlerin für sich und die Regierenden nutzen, um den Ausnahmezustand ausrufen zu lassen. Und auch in diesem Fall könnte nach Diktatorenmanier durchregiert werden. Die Grünen werden sich freuen und bei Gelegenheit sicher auf diesen Vorschlag zurückkommen wollen. Endlich offenbart sich der politischen Sinn einer teuren, unergiebigen und umweltzerstörenden Technik.

Natürlich gibt sich de Maizière großzügig: »notstandfeste Grundrechte« wie die Meinungsfreiheit sollen nicht angetastet werden. Und natürlich ist der »Verlust von Grundrechten« begrenzt auf den »kurzen Zeitraum«, der nötig ist, der Krise Herr zu werden. Und selbstverständlich sei der Ausnahmezustand demokratisch legitimiert: »Den muss das Parlament beschließen.« Aber!

Wie lang eine Krise dauern kann, erleben wir gerade. Die Zeit, die angeblich begrenzt ist, kann sich durchaus im Interesse der Regierenden dehnen. Fast möchte man glauben, die Unfähigkeit der Regierenden habe System. Der Hinweis ist also bestenfalls ein Feigenblättchen, hinter dem Thomas de Maizière seinen wahren Charakter verbirgt.

Schlimmer ist jedoch das völlige Fehlen für den Sinn des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats bei dieser Figur, die ja in Ämtern dieses Staates gedient hat. Offenbar hat Thomas de Maizière keinen blassen Schimmer, dass der Rechtsstaat und die Rechte der Bürger und schon gar nicht die Menschenrechte nicht zur Disposition stehen können. Kein Parlament hat das Recht mit welcher Mehrheit auch immer, die Grundrechte zu eliminieren.

Das aber, glaubt ein ehemaliger Innenminister, sei möglich – und verrät seinen Ungeist. Und dass er nicht mehr im Amt ist, tröstet nur wenig. Denn im Kanzleramt und in den meisten Ministerien herrscht genau dieser diktatorische Geist schlimmster Sorte. Machen wir uns nichts vor: Weder der Kaiser noch der Reichspräsident und schon gar nicht ein Westdeutscher Kanzler hätten gewagt, wegen eines Stromausfalls die Rechte der Bürger, und sei es auch nur zeitweise, zu beschränken. Das erleben wir wohl erst in der Klima-Diktator des Gutdeutschen Reichs.

Samstag, 20.März 2021
Der Genderstern oder: Die Mechanisierung des Geschlechts

Wenn es einen Gott der Linguistik gibt – und etwas anderes anzunehmen heißt, die Möglichkeit der Schönheit einer Sprache zu leugnen –, wenn es also einen Gott der Linguistik gibt, dann beweist er in diesen Zeiten Humor. Ja, ich nehme an, er sitzt in seinem Haus des Denkens und amüsiert sich gemeinsam mit dem Gott des Digitalen, der weit unter ihm steht, über die Sprechenden, die nicht erkennen, wie beide sie narren.

Für ihre Narreteien haben sie sich einige besondere Zeichen erdacht. Eines davon zählt zu den großen Ärgernissen, mit denen das Gendermainstreaming die Deutsche Sprache zu verunstalten sucht: Der Genderstern. Immer häufiger ist er in Briefen aus der Verwaltung zu sehen; man könnte fast von einer Art Gewöhnung sprechen; selbst Witze über die holprige Schreibweise gelten als überholt. Es braucht schon die sprachliche Ungelenktheit der Konstruktion Bürger*innenmeister*in, um im Internet mehr als ein Hintergrundrauschen erzeugen zu können oder eine Fernsehansagerin, die vergeblich versucht, den Genderstern mitzusprechen.

Doch in allen Diskussionen und Anfeindungen, die über den Genderstern ausgetauscht wurden, ging ein Aspekt völlig verloren. Und dabei ist dieser – jenseits aller sprachästhetischen Erörterungen – nun wirklich der mit dem größten Aussagewert. Denn er macht deutlich, was sich hier über ein einzelnes Zeichen tatsächlich vollzieht: Die Durchdringung unserer Sprache mit einem Gift, mit einem ganz besonderen Gift, mit dem Gift der Technisierung, ja Mechanisierung unserer Sprache und unser beider Geschlechter.

Auf den Einfluss von Mechanisierung und Technik auf unsere Sprache wurde schon oft hingewiesen; so in der immer noch lesenswerten Studie ›LTI‹ – ›Lingua Tertii Imperii‹, Sprache des Dritten Reiches – von Victor Klemperer. Er beklagt »die Masse der mechanisierenden Wörter« im National-Sozialismus und dokumentiert an Verben wie ›einstellen‹, ›ankurbeln‹ und ›gleichschalten‹ den »Übergriff technischer Wendungen auf nichttechnische Bereiche« und damit das in seinen Augen letztendlich »eindeutige Mechanisieren der Person« – Vorstufe der Erniedrigung des Menschen zum bloßen Objekt und schließlich seiner Vernichtung. In weiser Voraussicht deutet Klemperer an, dass es eine Sprache nicht nur des Dritten, sondern auch eines womöglich drohenden Vierten Reichs geben könnte, denn immer offenbart die Sprache das Wesen einer Gesellschaft – sei es nun die des Dritten Reichs oder anderer Gemeinschaften mit einer gemeinsamen Sprache.

Zu den Ausdrucksmitteln einer Sprache, die etwas über eine Gemeinschaft aussagen können, zählt Klemperer nicht nur die mechanisierten Worte; nein, Satzzeichen besagen ebenfalls etwas. Während des Nationalsozialismus war es aber nicht etwa, wie mancher erwartet, das Ausrufezeichen, sondern das »ironische Anführungszeichen«. Schwer zu sagen, was Klemperer, der am 11. Februar 1960 in Dresden verstarb, über die Jahre nach ihm in Westdeutschland gesagt haben würde. Damals wurden die ironischen Anführungszeichen zum primitiven Stilmittel der ungezählten Pamphlete und Resolutionen einer Studentenbewegung, die meinte, gebildet zu sein.

Die heutige Zeit hat neben einer Vielzahl von typischen Worten ebenfalls typische Zeichen. Der Genderstern ist eines davon. Über seine Syntax erfährt der Leser im Internet, es gehöre zwischen die männliche und die weibliche Endung eines Wortes: Aus Bürger und Bürgerin wird dann Bürger*in, aus Schüler und Schülerin Schüler*in.

Anders als vielfach angenommen, ist mit dem Genderstern keine Gleichstellung beider Geschlechter gemeint; es geht nicht darum, zusätzlich zur männlichen Form Bürger noch das weibliche Bürgerin zu verwenden, um damit auf lexikalischer Ebene eine Art Gleichheit zu schaffen. Nein, der Genderstern bezeichnet sämtliche Geschlechter im Gebiet zwischen Bürger und Bürgerin, zwischen männlich und weiblich. Ob es diese Übergänge tatsächlich gibt, tut hier nichts zur Sache.

Damit ist der Genderstern eine Verkürzung. Statt alle Zwischengeschlechter zu nennen, werden sie allesamt durch einen Stern dargestellt – eine, trotz aller insgeheim drohenden und denkbaren Diskriminierung der Zwischengeschlechter, die ja nun alle über einen einzigen Kamm geschert werden, verständliche Kurzform – eine Kurzform mit einer Geschichte, einer digitalen Geschichte.

Der Stern wird seit langem im Rahmen technischer Sprachen im Umgang mit Computern gebraucht. Dort tritt er nicht nur als mathematisches Zeichen für diverse Operationen wie die Multiplikation, sondern zudem in zwei spezifisch computertechnischen Bedeutungen auf, von denen zumindest eine mit dem Genderstern direkt verwandt ist.

In der ersten Form beschreibt der digitale Stern als sogenannter Kleenscher Stern-Operator – benannt nach dem theoretischen Informatiker Stephen Cole Kleene – die Vervielfachung eines Symbols, entfernt vergleichbar den Pünktchen-Pünktchen der gewöhnlichen Sprache oder auch dem Überstrich in 3,314, um eine endlose Wiederholung anzudeuten. Mit dieser Deutung hat der Genderstern kaum etwas zu gemein, denn Bürger*in ist sicher nicht als endlose Wiederholung des Bürgers zu lesen.

Es ist die zweite Bedeutung des digitalen Sterns, die dem Genderstern in jeder Hinsicht entspricht. Sie wird beim Löschen von Dateien gebraucht und macht den Stern bei der Texteingabe zu einem Ersatz für beliebige Folgen von Zeichen. Da die meisten Benutzer eines Computers Dateien mit einem Mausklick löschen, ist dieses Sprachelement nur jenen bekannt, die sich noch an die Texteingabe bei MS-DOS erinnern und jenen, die auf einer UNIX-Eingabeoberfläche zu Haus sind. Leicht verständlich ist sie trotzdem: Schreibe ich etwa ›lösche *‹, dann wird nicht eine Datei mit dem Namen ›*‹, sondern es werden sämtliche Dateien gelöscht – der Stern vertritt alle Folgen von Zeichen. Schreibe ich ›lösche a*b‹ werden Dateien gelöscht, deren Name mit a beginnt und auf b endet. Der Ausdruck ›a*b‹ benennt also in einer Kurzform eine größere Zahl von Dateien, die gelöscht werden sollen. Und er macht es auf formelartige Weise.

Damit aber ist der Stern einer Sprache für Computer das Vorbild für den Stern einer menschlichen Sprache, der den einen wichtig und den andren ein Graus ist: Für den Genderstern. Auch mit dem Ausdruck Bürger*innen wird formelhaft alles benannt, was sich irgendwo zwischen Bürger und Bürgerin einordnen will. Wo auf einem Computer mit dem Stern auf mechanischem Weg potentiell unendlich viele Dateien benannt werden können, werden nun in der wirklichen Welt mit einem Formelzeichen unendlich viele Geschlechterzwischenstufen benannt.

Das kann man, verharmlosend, zu einem Ausdruck menschlichen Zeichenspieltriebs erklären. Und wäre es den Sprachmechanikern, die den Genderstern auf Biegen und Brechen durchsetzen wollen, nicht so tödlich ernst mit ihrer Absicht, bliebe das zusätzliche Zeichen eine Marotte von Leuten, die gerne spielen; es würden sich weitschweifige Diskussionen, wie denn Bürgerinnenmeisterin gendergerecht formuliert werden muss, ergeben, in denen sich der Zeichentrieb am Bilden von gendergerechten Ausdrücken austobt – ähnlich wie in der Welt des Computers. Jedes Forum mit Programmierer ist gefüllt mit ähnlichen Diskussionen über die Bedeutung und Korrektheit eines Ausdrucks: Heißt es Bürger*innenmeister*in oder vielleicht doch nur Bürgermeister*in ? Was ist mit einer Variante wie (Bürgermeister)*in ? Werden alle denkbaren Geschlechter benannt ? – Versuche, möglichst absurde Ausdrücke zu finden, liefern die Kritiker des Gendersterns frei Haus.

Der Spaß hört allerdings auf, wenn der Druck des Digitalen unterschwellig die Sprache erfasst. Man muss nur den vergeblichen Versuchen zuhören, den Genderstern in die gesprochene Rede zu holen; es will nicht gelingen. Und es kann nicht gelingen. Denn der Genderstern ist ein technisches Zeichen und wie beim Lesen mathematischer Formeln und den Texten von Computerprogrammen spricht man ihn nicht. Überhaupt niemand spricht in einer Computersprache mit seinem Computer, selbst wenn er ständig mit ihm schimpft.

Anders gesagt: Mit dem Genderstern haben Elemente formaler Sprachen Einzug in die natürliche Sprache gefunden, die dafür sorgen, dass wir Zeichen verwenden, die wir nicht aussprechen können – und wer weiß, wann wir ganz zu sprechen aufhören.

Nun, das wird wohl noch etwas dauern. Doch bevor es soweit ist, reicht die Einzug der formalen Sprachen aus der Welt des Digitalen weitaus tiefer als die Verwendung englischer Ausdrücke aus dem Computerjargon; er reicht in unser Geschlecht. Der Unterschied, der unser menschliches Wesen in aller Tiefe sowohl animalisch als auch künstlerisch zeigt wie nichts zweites, der Unterschied der Geschlechter, dieser Unterschied wird durch ein Symbol aus der mechanischen Welt des Computers nivelliert: Dem Genderstern.

Vielleicht haben einige Kämpfer für das Gendermainstreaming ja doch eine trübe Ahnung, dass etwas nicht stimmt und deshalb den Genderstern durch andere Zeichen ersetzt: Hier ist es der Unterstrich, dort der Doppelpunkt. Es wird also Bürger_in oder auch Bürger:in geschrieben. Nur ändert das nichts. Denn beide Zeichen stammen als Teil von Worten gleichfalls aus der Welt des Computers: Der Unterstrich trennt zwei Worte, die aus technischen Gründen, die hier zu erläutern zu weit führen würde, nicht durch ein Leerzeichen getrennt werden dürfen. Der Doppelpunkt trennt eine Art Vorwahl vom Anschluss, die Bürgerin würde zur Durchwahl des Bürgers – sicher nichts, was von den Verwendern intendiert worden ist und deutlich zeigt, dass die, die Sonderzeichen aus formalen Sprachen in Wörter einfügen wollen, nicht wissen, was sie eigentlich tun.

Was wir hier, unabhängig vom Zeichen, erleben, ist nicht weniger, als ein Übergriff der Technik auf unser menschliches Wesen mit Hilfe der Sprache. Dass der Übergriff ausgerechnet von jenen forciert wird, die in den meisten Fällen wenig von Technik verstehen und in vielen Fällen ein Leben bestimmt durch welche Technik auch immer, übrigens völlig zu recht, ablehnen würden, macht die Entwicklung sowohl ernst als auch amüsant, jedenfalls aus der Warte der linguistischen Götter. Sie sehen im Genderstern sicherlich nur einen neuen Beweis, dass die Menschen nicht Maß halten können. Mit dem Genderstern und dem Wunsch, das Geschlecht nach Lust und Laune wechseln zu können, versuchen sie ihre Natur zu negieren und wenn schon nicht wie die Götter zu werden, so doch wenigstens Entscheidungen treffen zu können, die nur die Götter allein treffen sollten: Zu welchem Geschlecht sie gehören.

Samstag, 30.Januar 2021
Transgender – Zwischen mythischem Wunsch und Frankensteins Übermensch Nach einem von Grünen und Liberalen geplanten Gesetz, wird der Wechsel des Geschlechts demnächst durch einen bloßen Sprechakt ermöglicht. Und es ist schwierig zu entscheiden, ob man lachen soll oder weinen. Denn recht eigentlich ist dieser Wunsch, das Geschlecht jederzeit wechseln zu können, ein lange gehegter Wunsch des Menschengeschlechts.

Die alten Griechen hatten dafür die Gestalt des Teiresias erdichtet. Allerdings waren sie, die griechischen Erzähler, noch bedacht genug, Teiresias das Geschlecht nur zweimal wechseln zu lassen: Vom Mann zur Frau und von der Frau wieder zum Mann. Außerdem war die Wandlung als Strafe gemeint. Weiblich wurde Teiresias, nachdem er das Weibchen eines Paares sich paarender Schlagen erschlug; männlich wurde er wieder, nachdem er das Männchen eines Paares sich paarender Schlagen erschlug.

Und noch in einem anderen Punkt waren die Erzähler eben Erzähler: Sie formulierten den Sinn der Wandlung in eine Schlüsselfrage, die viele von uns auch heute noch umtreibt: Wer empfindet mehr geschlechtliche Lust: Der Mann oder die Frau ? Zeus wettete auf den Mann, seine Frau Hera auf die Frau. – Mit Speck fängt man Mäuse haben sich die Mannen um Homer wahrscheinlich gedacht – und auch in der griechischen Mythologie galt die Regel: Sex sells, Sex verkauft sich gut.

Der moderne Mensch macht in diesen Tag Ernst mit der Geschlechterumwandlung. Nachdem das Geschlecht zum bloßen Konstrukt erklärt worden ist, wird unter Verweis auf das Recht eines jeden Menschen, alles mit sich machen zu dürfen, was er sich wünscht, Männern erlaubt, sich als Frau zu bezeichnen und Frauen erlaubt, sich als Mann zu bezeichnen.

Das aber ist der wesentliche Unterschied zwischen den Erzählern von damals und den Geschlechtskonstrukteuren von heute. Während jene mit spannenden und nachdenkenswerten Geschichten über das Verhältnis der Geschlechter ihre Hörer unterhielten, toben diese ihre Allmachtsphantasien hemmungslos aus. Und nichts anderes ist es, wenn Geschlechterumwandlungen heute Gesetz werden sollen.

Anders als vielfach vermutet, geht es bei dem Gesetzesentwurf und all den Initiativen gegen eine angeblich herrschende Transenphobie nicht um die Nivellierung der beiden Geschlechter; nicht die Angleichung bis zur Ununterscheidbarkeit der Geschlechter heißt das Ziel. Nein, es ist die Möglichkeit zum wahlfreien Zugriff, auf den das mögliche Wechselbalg spekuliert. Heute Mann, morgen Frau. Und das, so erlaubte es dann das Gesetz, einmal im Jahr – ein zeitlicher Mindestabstand, den die Antragsteller angesetzt haben. Andernfalls wären die Behörden womöglich über fordert.

Wenn aber der ständige Wechsel vom Männchen zum Weibchen und wieder zurück der tatsächliche Wunsch ist, dann ist das erzeugte Wesen nicht mehr mit Teiresias, sondern mit einer anderen Figur der Literatur sehr eng verwandt: Mit Frankensteins Monster. Es erfüllte den Wunsch seines Meisters, Leben schaffen zu können. Positiv möchte man feststellen können: Die Erzeuger sind bescheiden geworden. Transgender ist kein neues Geschöpf, es wechselt bloß bis zu einmal im Jahr sein Geschlecht. Allerdings geht es heute ja auch nicht mehr nur um schöne Worte in einem Roman, sondern um die tatsächliche Umwandlung von Männern zu Frauen und Frauen zu Männern.

Transgender ist, indem es die Fiktion überschreitet, nichts als die Realisierung von Machtphantasien. Daher gehört das Gesetz in eine geistige Linie zu allem anderen, was Menschen sich in ihrer Selbstüberschätzung an technischen Gerätschaften ausgedacht haben. Transgender ist die Ausgeburt menschlicher Selbstübersteigung. In der Tradition dieses Wahns bewegen sich Grüne und Liberale. Mit einem Unterschied: Der Traum vom Mondflug ist verglichen mit dem Wunsch, Transgender zu sein, naiv und human und selbst die Atombombe hatte zumindest noch den Sinn, einen Krieg zu beenden und andere zu verhindern.

Transgender hat davon nichts; es ist Technik nur um des schnöden Vergnügens, das verzogene Bürgerbälger westlicher Länder sich gönnen. Sie fühlen sich frei und überdies anderen, die ihr Geschlecht demütig als naturgegebenen Rahmen begreifen, weit überlegen. Und damit wird deutlich: Hinter dem Wunsch, Transgender zu sein, lauert eine andere, ungute alte Gestalt: Der Übermensch. Also jene bei Nietzsche metaphysisch gemeinte und wiederum literarisch ausgeführte Figur, die später als sozialistischer Idealmensch soviel Unglück über den europäischen Kontinent bringen konnte. Transgender geht über in »transhuman« – der Begriff, der im Englischen für Übermensch üblicherweise gebraucht wird. Auch wenn es dann meistens gleich »Übermensch« heißt statt Transhuman.

Transgender und Transhuman – diese zwei Wesen sind die Produkte eines übersteigerten Willens zur Macht, der seinen Triumph über das Werk der Natur feiern will. Beide, Transgender und Transhuman, sind nicht das Produkt einer Freude an der Auslegung mythologischer Werke und Figuren, sei es nun Teiresias oder Frankensteins Monster. Mann oder Frau sollen sie sein und im Wechselspiel werden, egal was die Natur oder Gott ihnen gab und für sie bestimmte.

Schicksal nennt man diese Bestimmung und es war Freud, der die auch als Warnung zu verstehende Erkenntnis aussprach: Anatomie ist Schicksal. Schwer zu glauben, dass die neuen Frankensteins sich bei Transgender davon beirren lassen und innehalten. Trotzdem sei hier an das Schicksal von Frankensteins Monster erinnert: Als sein Erzeuger es sah, floh er und ließ das bemitleidenswerte Geschöpf mit sich alleine zurück. Auf der Suche nach menschlicher Nähe fand es sie nur bei einem Blinden. Alle anderen liefen eilig davon und sein Erzeuger schließlich hinter ihm her, um ihn zu töten, was ihm nicht gelingt.

Erging es Teiresias besser ? – Er machte den Fehler, sein Wissen, wer denn nun bei der geschlechtlichen Lust mehr empfände, der Mann oder die Frau, den streitenden Göttereheleuten zu stecken: Die Lust der Frau verhält sich zur Lust des Mannes wie neun zu eins. Hera behielt also recht und – wie meist denken die alten Griechen noch einen Schritt weiter – rächte sich an Teiresias wie eine Frau sich eben rächt, deren Geheimnis ein Mann offenbart, und machte ihn blind. Zeus schenkte ihm zum Ausgleich die Gabe des Sehers und eine siebenmal längere Zeit zu leben.

Nichts davon wird Transgender geschenkt. Und deshalb ist nicht Angst vor Transgender, sondern Angst um Transgender die angemessene Art, auf diese infantilen Spielchen zu reagieren. Transgender ist ein Geschöpf, das unser Mitleid verdient. Es passt in eine Welt, die meint, Wunscherfüllung sei das Maß aller Dinge.

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* Der Titel "Die Verheerung Europas" bezieht sich auf die Aufzeichnungen von Wilhelm Muehlon aus den ersten Tagen des Ersten Weltkriegs. Muehlon gehört zu den großen deutschen Intellektuellen, die heute praktisch vergessen sind. Sein Kriegstagebuch über den Zweiten Weltkrieg zählt zum besten und spannendsten, was über diese zweite europäische Katastrophe geschrieben wurde: Distanziert, zugleich beteiligt und immer mit einem Blick, den man sich für die heutige Zeit wünscht.
© Wolfgang Hebold
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