Verstößt der Pager-Angriff auf die Hisbollah gegen Völkerrecht? –
Keine drei Tage nach den erfolgreichen Angriffen gegen die Terroristen der Hisbollah stehen die ausgesprochenen und unausgesprochenen Feinde Israels schon auf der Matte. Da ist eine deutsche Außenministerin, die Israel vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in den Rücken fällt. Und nun haben sich endlich zwei deutsche Juristen gemeldet, der erklären, warum der Angriff ein Verstoß gegen das Völkerrecht war; nennen wir sie die Experten.
Angenommen wird zunächst: Israel stecke hinter dem Angriff; eine Annahme, die durchaus plausibel erscheint. Vor diesem Hintergrund erörtern Matthias Goldmann von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden und Dominik Steiger von der TU Dresden die Rechtslage im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah mit besonderem Augenmerk auf den Pager-Angriff. Dabei verweisen sie, um die Anwendbarkeit des Völkerrechts zu begründen, auf den Unterschied zwischen einem internationalen und nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, um dann in ganz ähnlichen Worten zu folgern: »Da die Hisbollah auch in die libanesische Regierung eingebunden ist und teilweise sogar Territorialherrschaft ausübt, würde ich sie Stand jetzt als verlängerten Arm des Staates ansehen.« – und zwar des libanesischen Staates.
Die Experten mögen ja in Völkerrecht unterwegs sein; von der Lage im Nahen Osten haben beide offenbar nicht den blassesten Schimmer. Denn die Hisbollah ist ökonomisch, politisch, aber insbesondere militärisch der verlängerte Arm nicht der libanesischen sondern allein der iranischen Regierung. Im Süden des Libanon ist die Hisbollah ein Staat im Staate, die Rede von einem Krieg zwischen dem Libanon und Israel daher nicht nur irreführend, sondern einfach falsch. – Und schon bricht zumindest die Begründung für die rechtliche Einschätzung der Rechtsexperten in sich zusammen. Trotzdem bleibt der Konflikt ein internationaler Konflikt; aber eben nicht zwischen Libanon und und Israel, sondern zwischen dem Iran und Israel.
Daß zwischen den beiden Ländern Libanon und Israel kein Kriegszustand herrscht und der Libanon an keinem der vielen Kriege der Araber gegen Israel beteiligt war, lassen die Experten gänzlich außen vor. Das müssen sie auch, denn andernfalls führt die Annahme, daß die Hisbollah den Libanon vertritt, dazu, daß der Libanon permanent das Völkerrecht bricht, indem er einen unerklärten Krieg gegen seinen Nachbarn führt und Israel von daher jedes Recht hat, sich gegen die Angriffe aus dem Libanon zu wehren.
Anschließend wird gefragt: »War die Manipulation von Pagern und Walkie-Talkies nach den Regeln der Genfer Konventionen erlaubt?« Die Antwort des Experten aus Wiesbaden fällt kurz aus: »Stand jetzt würde ich sagen nein.« Indes ist die Begründung der übliche Schmarren, wie ihn ansonsten offene Unterstützer von Terroristen vorbringen: Weil die Pager bei der Explosion Nicht-Kombattanten verletzen oder töten konnten, handelte es sich um einen »unterschiedslosen Angriff«, der nach dem Völkerrecht nicht erlaubt sei.
Vielleicht hätte der Rechtsexperte aus Wiesbaden seinen Kollegen aus Dresden konsultieren sollen, bevor er ein Interview gibt. Denn der verweist beim ZDF immerhin auf die näheren Umstände, die bekannt sein müssen, falls man ein Urteil abgeben will. Und selbst der Interviewer von n-tv weiß, daß es den Begriff »Kollateralschaden« auch im Völkerrecht gibt. Ein Waffeneinsatz, bei dem Zivilisten zu Schaden kommen können, ist unter bestimmten Umständen durchaus erlaubt, vorausgesetzt die Verhältnismäßigkeit bleibt gewahrt.
»Die Schäden für die Zivilbevölkerung dürfen nicht exzessiv sein«, erläutert Professor Steiger, »Das ist dann der Fall, wenn damit zu rechnen ist, dass die Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung und die Verwundung von Zivilisten außer Verhältnis zum konkreten militärischen Vorteil stehen. Bei so vielen gleichzeitigen Explosionen, die man kaum überblicken kann, ist das zumindest problematisch.« Da hat der Jurist aus Dresden einwandfrei argumentiert – und dann verdirbt er alles im Nachsatz. Die »vielen gleichzeitigen Explosionen« führten eben, weil es so viele gleichzeitig waren, direkt zum militärischen Nutzen. Und wie auf den Videos zu sehen ist, hielt sich der Schaden in der Umgebung der Pager-Nutzer durchaus in Grenzen. Die meisten Umstehenden kamen mit einem Schrecken davon.
Professor Goldmann sieht das, wie bereits angedeutet, zunächst durchaus anders. Auf die Frage: »Was ist also, wenn man zwar davon ausgeht, nur Hisbollah-Kämpfer zu treffen, am Ende aber doch Zivilisten unter den Opfern sind?« erklärt der Experte: »Dann läge ein Völkerrechtsbruch vor.« Und diese Antwort des Juristen ist in dieser Form schlicht falsch. Seine Begründung verdient trotzdem einen genaueren Blick:
»Nach den Genfer Konventionen gilt das Prinzip der Unterscheidung. Angegriffen werden dürfen ausschließlich Kombattanten, also Personen, die Teil des waffentragenden Militärs der gegnerischen Partei sind. Damit musste sich die Partei, die die Geräte manipuliert hat, mehrere Fragen stellen. Zum einen: An wen wurden die Pager und Walkie-Talkies ausgegeben? Offenbar handelte es sich um Kommunikationsgeräte der Hisbollah. Allerdings hat diese eben auch eine zivile Komponente. Die Hisbollah ist zudem nicht so streng reguliert wie ein Staat, wo es eine klare Unterscheidung zwischen Zivilisten und Militär gibt. Realistisch gesehen, konnte man also zumindest nicht ausschließen, dass auch Sanitätspersonal oder andere nicht-bewaffnete Personen in den Besitz der Geräte gekommen sind. Die dürfen allerdings ausdrücklich nicht angegriffen werden.«
In wenigen Sätzen schafft es ein deutscher Völkerrechtler, die Kriegsstrategie der Hisbollah nicht nur zu erläutern, sondern zudem jeden Kampf gegen die Terrortruppe als völkerrechtswidrig zu denunzieren. Ich weiß nicht, ob die Hisbollah noch einen Juristen braucht, wenn es irgendwann zu einem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof kommt – aber Professor Goldmann wäre ihr passender Anwalt. Vor allem der Schlenker zum Sanitätspersonal, das mit den Pager angepiept werden könnte, verdient den Titel juristischer Winkelzug vom feinsten.
Trotzdem verheddert sich Goldmann, als es um die Details geht. Auf den Begriff des Kollateralschadens angesprochen, gesteht der Jurist zwar ein, daß ein Angriff mit Verletzungen von Zivilisten zwar durchaus vom Völkerrecht gedeckt werden könnten – jedoch nicht in diesem Fall. »Da derjenige, der die Pager manipuliert, bei dieser undifferenzierten Waffe, gar nicht wissen kann, wo sie explodiert, kann er auch nicht von einem verhältnismäßigen Einsatz ausgehen. Auch hier reicht das blinde Vertrauen nicht. Aus meiner Sicht war der Einsatz auch aus diesem Grund völkerrechtswidrig.« Goldmann scheint anzunehmen, daß diese Pager, die nur an Hisbollah-Mitglieder ausgegeben wurden, auf welchen Wegen auch immer, in die Hosentaschen von zahllosen Zivilisten geraten konnten. Eine Begründung dafür liefert er nicht; aber ein weiteres Mal darf er sagen: Israel hat gegen geltendes Völkerrecht verstoßen.
Geradezu antisemitisch wird der Professor aus Wiesbaden dann auf den letzten Metern des Interview, als es um das Recht Israels geht, sich gegen die definitiv völkerrechtswidrigen Angriffe der Hisbollah zu wehren. Zentral ist dabei die Antwort auf die Frage: »Wer ist in diesem Konflikt Angreifer, wer Verteidiger?« Und der Völkerrechtler Matthias Goldmann von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden sagt wörtlich: »Das ist die große Frage, die gerade in diesem Konflikt nicht leicht zu beantworten ist.« Der Interviewer ist es, der den Professor nun an den 7. Oktober erinnert, das Massaker der Hamas an 1.200 Juden und die tags drauf von der Hisbollah aus dem südlichen Libanon zur Unterstützung der Hamas begonnenen Angriffe auf Israel; der Jurist nennt das Datum jedenfalls nicht von sich aus, sondern versucht, die momentanen militärischen Operationen in einem leeren Raum ständiger Angriffe beider Seiten zu relativieren. Hamas, Hisbollah und Israel werden von Professor Goldmann auf eine Stufe gestellt. Man ahnt, warum sich an den Universitäten Deutschlands so viele antisemitische Studenten frei bewegen können – ein unguter Teil des Lehrkörpers deckt sie.
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